Die Gilden von Morenia 03 - Die Wanderjahre der Glasmalerin
geflochten. König Teheboth sah die beiden an, ließ zunächst wieder von ihnen ab, schenkte ihnen aber erneut seine volle Aufmerksamkeit, als er erkannte, dass sie zu Hals Gefolge gehörten.
»Mylady.« König Teheboth begrüßte zuerst Rani, dann Mair. Hal beobachtete, wie Rani in einen einfachen Hofknicks sank, und Mair tat es ihr gleich. Der liantinische König bezog die Frauen kaum mit ein, als er sagte: »Wir werden für das Festessen heute Abend Wildbret mit zurückbringen.«
»Wir freuen uns darauf, mit Euch zu reiten, Mylord.« Hal erkannte die gefährliche Freundlichkeit in Ranis Tonfall und sah, wie sie sich auf dem Hof nach einem Reittier umsah, das sie beanspruchen könnte.
»Ihr solltet hierbleiben, Lady Rani«, sagte Hal. »Helft unseren Leuten, sich nach unserer langen Reise einzurichten. Wir haben unseren Gastgeber schon lange genug aufgehalten, indem wir ihn veranlasst haben zurückzureiten, um uns abzuholen. Wir haben wohl kaum die Zeit, Pferde für Euch zu finden und die angemessene Ausrüstung zu besorgen.« Hal wandte seine Aufmerksamkeit wieder Teheboth zu. »Die Tausend Götter betrachten uns mit Wohlwollen. Denn wir konnten Euch erreichen, bevor Ihr zu weit hinausgeritten wart. Möge Doan unsere Jagd wohlwollend begleiten.«
Teheboth runzelte die Stirn, so dass seine buschigen Augenbrauen zusammentrafen; sein geflochtener Bart ragte missbilligend vor. »Doan! Euer Gott der Jagd hat nichts mit dem heutigen Ritt zu tun!« Hal bemühte sich, seine Überraschung zu verbergen. »Ihr seid heute mit Liantinern zusammen, König Halaravilli. Wir richten uns nach der Gehörnten Hirschkuh anstatt nach Eurer Brut von Göttern.«
Hal wusste natürlich, dass die Tausend Götter in Liantine kaum verehrt wurden. Aber er hatte gedacht, sie hätten noch etwas Einfluss. Bevor er eine diplomatische Antwort ersinnen konnte, trat Rani vor und legte eine Hand an die Zügel des Rotschimmels. Sie richtete ihre Worte an Teheboth, wobei sie anmutig den Kopf neigte. »Lady Mair und ich würden gerne als Glücksbringer mit Euch reiten, Mylord. Während wir Morenianer die Tradition der Frühlingsjagd vergessen haben, können wir das Streben eines Königs zugunsten seines Volkes nur bewundern. Möge dies das Jahr sein, in dem Ihr die Gehörnte Hirschkuh und alle Reichtümer am Ende der Welt findet.«
Natürlich! Jetzt erinnerte Hal sich. Zusammen mit dem ganzen Unsinn über die Gehörnte Hirschkuh, die mit ihrem Geweih die Welt festhielt, gab es alte Geschichten, uralte Legenden. Der Jäger, der die Gehörnte Hirschkuh tötete, würde einen Schatz finden, größeren Reichtum, als die Menschheit je gesehen hatte.
»Mylady.« König Teheboth beugte sich im Sattel herab. »Ihr kennt unsere Bräuche gut.«
»Eure Bräuche sind weit und breit berühmt, Mylord. Ich habe die Frühlingsjagd als gläsernes Bild gesehen.«
Hal hatte nur einen Moment Zeit, sich zu fragen, wo dieses Fenster gewesen sein mochte – vielleicht im zerstörten Gildehaus oder in einem von Ranis Büchern. Da sagte der König von Liantine: »Wir werden heute Abend zurückkehren, Mylady, mit Fleisch für unseren Frühjahrstisch. Inzwischen werden meine Leute es Euch und Eurer Begleiterin gewiss bequem machen.«
»Mylord…«, begann Rani erneut.
Hal unterbrach sie. »Lady Rani, Ihr solltet nicht mehr Zeit auf dem Hof verschwenden. Die Prinzessin könnte gewiss Eure Hilfe brauchen.«
»Die Prinzessin…«, fuhr Rani auf, aber Teheboth unterbrach sie, bevor sie ihre hitzige Erwiderung anbringen konnte.
»Mylady, ich bedaure, dass Ihr uns nicht begleiten könnt. Die Hirschkuh hätte gegen Eure Entschlossenheit keine Chance.« Es war kein Raum mehr für weitere Diskussionen, und sogar Rani neigte ergeben den Kopf. »Nun, wo wir jedoch zu unserem Hof zurückgekehrt sind, müssen wir noch einen Steigbügeltrunk nehmen, damit die gesegnete Hirschkuh nicht vorgeben kann, wir hätten sie nicht deutlich gewarnt. Meine Tochter hat uns zugetoastet, als wir das erste Mal losgeritten sind, aber sie hat nun an ihre anderweitigen Pflichten im Schloss zu denken. Werdet Ihr uns die Ehre erweisen, Lady Rani?«
Teheboth neigte den Kopf in Ranis Richtung, die eindeutig bestürzt war über diese Bitte. Hal konnte sehen, wie sie eine Ausrede zu ersinnen begann, aber es gelang ihm, ihren Blick auf sich zu ziehen und ihr mit einem bestimmten Kopfschütteln alles zu vermitteln, was er dazu zu sagen hatte. Rani schluckte schwer, machte aber widerwillig einen Hofknicks.
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