Die Gilden von Morenia 03 - Die Wanderjahre der Glasmalerin
einzupacken – Sommer- und Winterkleidung, Jagdkleidung und hermelingesäumte Umhänge. Farso hatte seine Proteste beharrlich ignoriert und ihm nur versichert, dass es eines der Merkmale des Königtums sei, stets vorbereitet zu erscheinen. Rani hatte dem zugestimmt – es war wichtig, Liantine zu beeindrucken. Würde König Teheboth das Ausmaß von Morenias Notlage jemals erahnen, erinnerte sie ihn, würde die Mitgift der Prinzessin auf nichts zusammenschrumpfen.
»König Teheboth will Euch nur ehren, Euer Majestät, indem er Euch in diesen Brauch mit einbezieht.«
»Ich verstehe das. Es ist nur, weil es so früh im Jahr ist…«
»Ihr werdet nicht wirklich eine Gehörnte Hirschkuh finden, Sire.« Farso lachte über das lächerliche Bild. »Keine Weibchen werden unter der heutigen Jagd leiden, keine Kitze werden verwaist zurückbleiben. Der König wird gewiss einen Hirsch töten und es nur anders bezeichnen.« Farso grinste und ahmte einen tödlichen Stoß nach.
»Du freust dich hierauf, oder?«
Der junge Edelmann zuckte die Achseln, während ein Lächeln seine hellen Augen erstrahlen ließ. »Es tut gut zu reiten, Sire. Es tut gut, draußen an der frischen Luft zu sein und den Pferdeleib zwischen den Oberschenkeln zu spüren. Das Gebell der Jagdhunde, der Geruch des Grases unter den Pferdehufen… Und es tut gut, am Ende des Tages frisches Wildbret zu essen.«
Hal wusste, dass die meisten seiner Adligen genauso empfanden. Nichtsdestotrotz galt seine Sympathie üblicherweise dem Wild. Vielleicht nicht, wenn ein Braten über dem Feuer röstete, aber während der langen Jagd, wenn die Hunde bellten und Dutzende von Männern sich verschworen und planten, ihre eisenbewehrten Speere in Händen…
Torheit. Würde Hal seine Gedanken zu erklären versuchen, dann würde Farso ihn für noch seltsamer halten, als er ohnehin war. Hal beschränkte sich darauf, seinem Freund mit einer Hand auf die Schulter zu klopfen. »Dann lass uns gehen. Wir wollen unseren Gastgeber nicht warten lassen, nicht wenn er bereits den ganzen Morgen verloren hat, weil er unseretwegen zurückgeritten ist.«
Nichtsdestotrotz schritt der König von ganz Liantine ungeduldig auf seinem gepflasterten Hof auf und ab, in Begleitung einer Hand voll ruheloser Adliger. König Teheboth Donnerspeer war ein Mann, der groß genug war, seinen Familiennamen mit Stolz zu tragen. Er war zwei Handspannen größer als Hal, und grün gefärbtes Leder bedeckte stramm seine Brust sowie die Fettwülste über den harten Muskeln. Die Handschuhe des Königs wirkten wie Wurstdärme, die seine Finger kaum fassen konnten, und an seinen Beinen spannte der Hosenstoff. Teheboth trug seinen Bart auf östliche Art, das Kinn hinab zu einem langen Zopf geflochten. Das Haar auf seinem Kopf war lang und drahtig, von Gold und Silber durchzogenes Kastanienbraun.
Hal sah sich unwillkürlich um, suchte nach dem Riesenpferd, das Teheboth zur Jagd tragen könnte. Er wurde nicht enttäuscht – der König von Liantine ritt ein kräftiges Streitross, einen Hengst, der wirkte, als wäre er eher für wochenlange Kriegsführung als für einen Tag der Jagd geeignet.
Neben dem Streitross standen zwei robuste Reitpferde – ein Rotschimmel-Wallach, der im späten Morgensonnenschein den Kopf aufwarf, und eine grau gefleckte Stute. Hal war ein erfahrener Reiter und erkannte gute Tiere, wenn er sie sah – diese Tiere würden mühelos unter den Besten in ganz Morenia rangieren.
Hals Bewunderung wurde durch König Teheboths Ausruf unterbrochen. »Mylord! Ihr müsst unsere Abwesenheit bei Eurer Ankunft entschuldigen!« Die Stimme des Mannes war ebenso kräftig wie sein Körper, und sein Gruß hallte von den Steinmauern des Hofes wider. »Wir freuen uns, dass Ihr uns begleiten werdet! Es war Glück, dass unsere Reiter uns zurückrufen konnten, bevor wir zu weit hinausgeritten waren.«
»Mylord.« Hal lächelte, gab Begeisterung vor. Die Jagd war ein adliger Zeitvertreib, ermahnte er sich, und er hatte viele lange, zufriedenstellende Nachmittage in den Wäldern Morenias verbracht – auch wenn er sich jetzt nach der schwierigen Überfahrt nach einem heißen Bad und frischer Kleidung, nach einem weichen Kissen und viel Ruhe sehnte…
Sehnsüchte waren nicht für Könige gedacht.
Bevor Hal weitere Begeisterung aufbringen konnte, sah er Rani und Mair aus den Schatten von Teheboths Palast hervortreten. Beide Frauen trugen Reitkleidung, und Rani hatte ihr langes, blondes Haar zu einem einzelnen Zopf
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