Die Gilden von Morenia 03 - Die Wanderjahre der Glasmalerin
vorzubeugen, um ihn zu hören. »Der amanthianische Bastard, Sin Hazar, hat seine eigenen Leute verkauft, und meine Lehnsleute haben sie erworben, schlicht und ergreifend. Die Gehörnte Hirschkuh verbietet die Sklaverei nicht. Meine Gilden, meine Heere, mein Haushalt, wir alle brauchten Diener, und Sin Hazar bot uns einen anständigen Preis. Ich sage Euch Folgendes, Mylord. Nicht ein Mensch besitzt in Liantine auch nur einen einzigen Sklaven. Sklaven gehören Gruppen – Gilden oder Gemeinschaften oder Heeren. Alles andere wäre unmenschlich.«
Das ergab überhaupt keinen Sinn, wollte Hal sagen. Gruppen bestanden aus Individuen. Es lag keine Absolution darin zu sagen, eine Gilde besäße einen Menschen, ein Heer habe den Kauf getätigt. Mit einer Deutlichkeit, die ihn bestürzte, erkannte Hal jäh, wie er Teheboths reizbaren Eigensinn zu seinem Vorteil wenden konnte. Er dachte blitzartig an die Lektionen zurück, die er in seinem Kinderzimmer gelernt hatte, an die Strategien, die er mit seinen Heeren aus Zinnsoldaten ausgearbeitet hatte. Manchmal musste man verlieren, um zu gewinnen. Hal senkte den Blick und zupfte an der edlen Punzarbeit an seinem Ledersattel. Seine Schultern sackten ein, und er blickte durch gesenkte Wimpern auf, als wäre er sich seiner Worte, seiner Argumente nicht sicher. »Bitte, Mylord.« Er ließ ein wenig Anspannung in seine Worte einfließen. »Ich bitte nur um eines. Sagt mir, ob irgendeine Möglichkeit besteht, dass ich amanthianische Kinder in ihre Heimat zurückbringen kann. Sagt mir, ob ich irgendeiner amanthianischen Mutter frohe Nachrichten überbringen kann, irgendeiner Familie, die sich nach ihren vermissten Söhnen und Töchtern sehnt.«
Teheboth sah ihn einen langen Moment an, als ermesse er die Bedeutung seiner Kapitulation. Als er sprach, machte er sich nicht die Mühe, seine Worte mit Bedauern zu verkleiden. »Jene Kinder sind schon lange fort, Mylord. Sie haben sich über ganz Liantine ausgebreitet, sind in die fernsten Ecken meines Reiches gereist.«
Hal zwang sich, dem Blick seines Rivalen zu begegnen, die Niederlage beim Thema Kleines Heer anzunehmen, ohne mit der Wimper zu zucken. »Dann werdet Ihr mir nicht helfen?«
»Ich kann nicht, Mylord. Es steht nicht in meiner Macht, das zu tun. Verliert jedoch nicht den Mut. Einige Eurer Leute haben sich die Freiheit durch ihrer Hände Arbeit erkauft. Anderen wurde von gutherzigen Liantinern unmittelbar die Freiheit gewährt. Eure Kinder sind erwachsen geworden, König Halaravilli – einige haben sogar schon selbst Kinder gezeugt, mit meinen liantinischen Mädchen. Euer Kleines Heer existiert nicht mehr.«
Da. Es war vorbei. Hal hatte seine Schlacht verloren. Vielleicht war er dadurch jedoch in einer besseren Position, den Krieg zu gewinnen. Er konnte es nur hoffen.
Einen kurzen Augenblick erinnerte er sich daran, wie Rani in Amanthia zu ihm gekommen und in seinem Lager außerhalb der Hauptstadt des Nordens erschienen war. Sie war in Lumpen gekleidet, die im Kleinen Heer als Uniform galten, und sie war von zwei tapferen Soldaten flankiert gewesen, von zwei Jungen, die ihre Unschuld für die Lüge eines Königs verwirkt hatten.
Rani wäre nicht erfreut, wenn sie erführe, dass Hal das Kleine Heer eingetauscht hatte und dass die Soldaten verloren waren, für immer und unwiderruflich. Aber sie wäre noch weniger erfreut, wenn Hal seinen zweiten Verhandlungspunkt verlöre, wenn er Berylinas Mitgift verwirken würde. Rani hatte sich auf eine harte Verhandlung um die Prinzessin eingestellt. Das hatte sie geschworen, als sie zustimmte, mit ihm zu reisen.
War das nicht immerhin das, was Rani ihn stets zu lehren versucht hatte? Ein kluger Händler musste geben und nehmen, musste in einem Punkt nachgeben können, nur um den Erfolg beim nächsten einzuheimsen. Das war die Lektion, die Hal auch bei der Gefolgschaft anzuwenden versuchte. Er hatte ihnen einiges Gold überlassen – als er sich den Verlust leisten konnte – und hatte auf ein Vorankommen gehofft. Er konnte nur hoffen, dass die Strategie dort eher Erfolg zeitigen würde als hier in Liantine.
Außerdem wartete Crestman noch immer auf Hals Schiff. Der amanthianische Soldat würde wahrscheinlich auf eigene Faust nach dem Kleinen Heer forschen. Wer konnte vermuten, was Crestman vielleicht erfuhr, welche neuen Fakten den Handel, den Hal gerade abgeschlossen hatte, vielleicht wandeln würden?
König Teheboth ließ ihn einen Moment in Ruhe, gab ihm die Gelegenheit, den
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