Die Gilden von Morenia 05 - Die Meisterschaft der Glasmalerin
Erben beschützen! Er hatte geglaubt, sie wären in Sicherheit, im Wald verborgen. Er hatte geglaubt, sie wären in ihrem Versteck sicherer als bei ihm auf der Großen Lichtung, sie könnten die Gefolgschaft meiden, die bestimmt wusste, wo er zu finden war.
Welch ein Narr er gewesen war. Tarn konnte Menschen überall aufspüren. Die Himmlischen Tore öffneten sich ächzend, wenn die Menschen es am wenigsten erwarteten. Hal konnte nichts tun, um den Tod abzuwehren. Er konnte nichts tun, um seine unschuldige Familie zu beschützen. Die Gefolgschaft hatte sich ihn als Ziel ausgesucht, und er war verflucht, verflucht, verflucht.
Schließlich hatte Farso gesagt, er müsse sich fassen. Er müsse nach Riadelle reiten und eine Audienz beim König verlangen. Hal müsse sofort sein Recht fordern, bevor jemand eine Gelegenheit hätte, Gerüchte in die Welt zu setzen, Lügen in die Welt zu setzen. Kella Kräuterhexe, eine Untertanin König Hamids, hatte Morenias Königin und seinen einzigen Erben ermordet, und Hal musste Entschädigung fordern. Er musste ein Heer fordern, damit er die Gefolgschaft bekämpfen könnte, ein für alle Mal.
Dies war seine einzige Chance, das Bündnis zu schmieden, das er so verzweifelt brauchte. Jetzt. Über den stillen, kalten Körpern seiner Frau und seines Sohnes verhandelnd.
Hal hatte sich in seine feinsten Gewänder kleiden lassen. Er war geschniegelt und gestriegelt worden wie ein edles Tier, durch den Wald und die Straße nach Riadelle hinabgeleitet worden.
Es war nach Mitternacht, als sie bei den Stadttoren ankamen. Der Hauptmann der Wache ließ sich schließlich überzeugen, sie passieren zu lassen, aber bei Hamids Schatzmeister konnte man keinen Hebel ansetzen, kein Argument anbringen, das sie in den frühen Morgenstunden zum König gebracht hätte. Der Beamte hatte nur seine schmale Nase gerümpft und widerwillig zugestimmt, die Besucher standesgemäß unterzubringen. Er würde dafür sorgen, dass sie Hamid nach dem ersten Tageslicht sehen könnten.
Und er würde die Nachtwache rufen, wenn Hal auf seiner unmöglichen Forderung beharrte. Wahlmänner unterstützten die Drohung.
Also hatte Hal nachgegeben. Sobald er sein schließlich zugewiesenes Quartier bezogen hatte, stolzierte er zum Kaminsims und goss sich ein Glas von Hamids edelstem Rotwein ein. Farso hatte irgendeine törichte Frage gestellt, auf irgendein albernes Detail hingewiesen, und Hal hatte den Krug geworfen.
Farso hatte es jedoch nicht übelgenommen. Stattdessen hatte er die Achseln gezuckt und einen weiteren Krug gesucht, einen, der wundervollerweise, herrlich voll war. Er hatte für seinen König Wein eingegossen, wieder und wieder. Er hatte Hals Wüten zugehört, dem königlichen Beharren, dass all die Tausend Götter Lügner und Betrüger wären, dass die Welt insgesamt unfair wäre. Er hatte Hal das Haar aus dem Gesicht gestrichen, als der König auf seinem Federbett zusammenbrach, als sich sein Zorn in Tränen auflöste. Farso hatte wie eine Kinderfrau gemurmelt, während sein König schluchzte, wie der Junge geweint hatte, der er einst gewesen war, vor Jahrzehnten, im fernen Morenia.
Und nun, im Tageslicht, stand Farso vor ihm und schüttelte eine einfache Tunika und Hose aus. Der schwarze Stoff hing so schlaff herab wie Hals Haar. »Kommt, Sire«, sagte Farso. »Es ist an der Zeit, dass Ihr Euch für Eure Audienz mit Hamid ankleidet.«
Hals Magen rebellierte, als er die Trauerkleidung sah, und es gelang ihm kaum, aus dem Bett zu kriechen und den Nachttopf zu finden, bevor Gallenflüssigkeit in seiner Kehle brannte. Er musste länger würgen, als er es für möglich gehalten hätte, woraufhin seine Seiten schmerzten und seine Kehle wund war.
Farso wartete wenige Schritte entfernt auf ihn. Stets der aufmerksame Diener, hatte er eine Wasserschüssel und saubere Streifen Leinen zur Hand. Als Hal sich schließlich wieder erheben konnte, führte Farso ihn zur Bettkante. Der Mann war tröstlicher als eine Kinderfrau, still und aufmerksam, während er das Gesicht seines Königs reinigte, während er ihm einen Becher reines Wasser darbot sowie eine einfache Tonschale zum Hineinspucken.
Hal nahm die Aufmerksamkeiten ausdruckslos an. Dies war unmöglich, dachte er. Unmöglich, dass er erneut die schwarze Trauerkleidung anlegen sollte. Unmöglich, dass er erneut einen Scheiterhaufen erwägen sollte. Wieder ein Sohn verloren – dieser, der lebendig geboren worden war, der gediehen war.
Und Mareka. Tot. Die
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