Die Gilden von Morenia 05 - Die Meisterschaft der Glasmalerin
Siritalanu. Glücklicherweise hatte der Priester in seiner Zeit bei Hofe etwas gelernt – er neigte nur den Kopf und erweckte vollkommen den Eindruck, als wäre ihm der von Hal beschriebene Brauch bekannt.
Farso schien überrascht, aber er schwieg. Puladarati war leider weniger einverstanden. Der alte Berater trat vor und streckte seine dreifingrige Hand aus, als wollte er das empfindliche Gleichgewicht, das Hal schuf, unterbrechen.
»Bitte, Mylord«, sagte Hal zu Hamid, ein wenig eilig, damit er nicht unterbrochen würde. »Gibt es hier einen Raum, wo wir ein Glas erheben können? Wo ich Euch von den Verwandten erzählen kann, die ich verloren habe, und Ihr wie der Bruder mit mir trauern könnt, der zu sein Ihr gelobtet?«
Hamid schaute zu seinen Wahlmännern, und Hal spürte die rasche Debatte, die zwischen ihnen aufflammte. Die Gefolgsleute wollten natürlich nicht, dass ihr König allein handelte. Sie wollten natürlich keinen Zipfel der Macht verlieren, die sie über Sarmonia erlangt hatten. Aber sie waren klug genug, nicht zu versuchen, ihren Anführer öffentlich zu tadeln, klug genug, die Macht der Todesrituale zu erkennen.
»Gut, Bruder«, sagte Hamid. »Trinken wir, damit wir Euren Verlust teilen können.«
Hamid ging vom Podest aus voraus. Hal erinnerte sich an die Gänge, die zum Arbeitszimmer führten, an die Steinmauern, die ihn beim letzten Mal belauscht zu haben schienen, als er diesen Weg nahm. Wie Hamid, erlaubte auch er seinen Gefolgsleuten, so weit mitzukommen, ihnen behutsam zu folgen.
Die gesamte Prozession schwieg, als erwäge jedermann an diesem bitteren Morgen seinen eigenen Kummer, seinen eigenen Verlust. Hal vermutete, dass sich seine Leute bemühten, ihre Warnungen laut genug zu denken, dass er sie durch seinen hämmernden Schädel hören könnte. Er schluckte mit trockenem Mund, unfähig, sich über das Hämmern seiner Stiefelabsätze hinweg, über die ständig wiederholte Silbe Tod, Tod, Tod hinweg irgendwelche überzeugenden Argumente vorzustellen.
Als sie am Arbeitszimmer ankamen, befahl Hamid seinen Leuten zu warten. Einer der Wahlmänner trat vor, verbeugte sich in Hals Richtung und sagte zu seinem Herrscher: »Euer Majestät, wir Wahlmänner werden mit Euch trauern. Wir sprechen für alle Menschen Sarmonias, wenn wir uns gemeinsam versammeln, um den Verlust unseres nordländischen Bruders zu betrauern.«
Hal glaubte, eine leichte Betonung des Wortes »gemeinsam« zu hören. Er wartete, während Hamid eine Antwort formulierte, und zählte seine Herzschläge. Wenn die Wahlmänner mitkämen, wäre alles verloren. Wenn die Wahlmänner das Arbeitszimmer beträten, würde Hals unbedarfter Plan wie ein Spinnweb in einem Sturm zerstört.
»Danke, Mylord«, sagte Hamid schließlich. Hal konnte die Anspannung hinter seinen höflichen Worten hören. »Aber ich muss mich hierbei Morenia beugen. Wir unterstützen ihn in seinem Verlust, und wir ehren alle seine Bräuche, wie sehr sie sich auch von unseren unterscheiden mögen. Wartet hier, und wir werden alle gemeinsam in die Große Halle zurückkehren.«
Hal war so erleichtert, dass er sich schwach fühlte. Während sich vom Rand seines Sichtfeldes Schwärze ausbreitete, ließ Farso eine stützende Hand unter seinen Ellenbogen gleiten. Hal gestattete es sich, sich einen Moment auf seinen Freund zu stützen, auf seinen wahren, aufrichtigen Bruder. Noch länger, und Farso könnte sich verpflichtet fühlen, das Arbeitszimmer mit ihm zu betreten. Noch länger, und Hamids Gefolgsleute würden ihm folgen.
Ein einziger tiefer Atemzug stählte ihn, so dass er die Schwelle überqueren und Hamid die Tür schließen sehen konnte. Er verdrängte das Flüstern in seinem Kopf, verbannte es mit einer Kraft, von der er nicht gewusst hatte, dass er sie besaß. Er wartete nur, bis der Sarmonianer nahe genug herangekommen war, um ihn zu hören, und flüsterte dann: »Rasch jetzt. Wir haben viel zu besprechen, und nicht genug Zeit dazu.«
»Was?«
»Still! Lasst sie Euch nicht hören. Schnell, gießt ein Glas ein, damit wir zurücklassen, was sie zu sehen erwarten.« Hamid zögerte. Unsicherheit ließ seine Hand zu dem edelsteinbesetzten Dolch an seiner Taille zucken. Hal sah die Schneide im hellen Morgenlicht glänzen, stellte sich die scharfe Klinge an seiner Kehle vor, wie sie in seine Handgelenke einschnitt, in seiner Brust versank.
Schmerz, ja. Aber kein so tiefer Schmerz wie der, den er bereits erlitten hatte. Kein so unendlicher Schmerz wie
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