Die Gilden von Morenia 05 - Die Meisterschaft der Glasmalerin
niemals entkommen können. Nicht für die tote Mareka, nicht für den toten Marekanoran. Nicht für Rani. Rani, die für ihn gekämpft hatte. Rani, die daran gearbeitet hatte, sein Königreich zu errichten. Rani…
Hal wusste, dass er seiner Umgebung mehr Aufmerksamkeit schenken sollte, während er durch die Gänge schritt. Er sollte die Sarmonianer beachten, die sich in den Eingängen aufhielten. Er sollte die hinter erhobenen Händen geflüsterten Gerüchte hören. Er sollte die mitleidigen Blicke registrieren, die geschüttelten Köpfe. Er sollte die Beileidsbezeugungen seiner Lords annehmen, von Puladarati und Pater Siritalanu, von den Soldaten, die hinter ihm eine Ehrengarde bildeten.
Aber Hal konnte nur die Träume in seinem Kopf sehen. Er konnte Mareka sehen, ihr verschlagenes Gesicht zur zufriedenen Maske der Mutterschaft geglättet. Er konnte seinen Sohn sehen, seinen Marekanoran, wie er am Feuer schlief.
Und Rani. Er konnte Rani auf hundert verschiedene Arten sehen – als Händlerin und Glasmalerin, als Soldatin, die im Kampf gegen ihren unerschütterlichsten Feind neben ihm gestanden hatte.
Tot. Denn auch wenn die Gefolgschaft sie noch nicht getötet hatte, würden sie das nur allzu bald tun. Sie würden sie ermorden, wenn er den Schlag am wenigsten ertragen könnte. Sie würden seine letzte großartige Unterstützerin, seine letzte wahre Verbündete töten. Rani würde mit ihrem Leben bezahlen, damit er kontrolliert werden könnte. Ihr Name würde den Listen hinzugefügt, zusammen mit Mareka und Marekanoran, mit all den treuen Männern und Frauen, die in seinem Dienst gestorben waren.
Irgendwie erreichten sie Hamids Große Halle. Irgendwie wurde Hal angekündigt und vor den König gedrängt. Irgendwie vollführte er seine angemessenen Verbeugungen, anmutig, fließend, als trüge er keine geborgte Kleidung und das Gewicht des Todes.
»Mylord«, sagte Hamid, und seine scharfe Stimme klang besorgt. Seine schmale Gestalt war in mitternachtsfarbene Seide gehüllt. »Ich trauere mit Euch um Euren Verlust. Ich wünschte, unsere Geschichten wären anders verlaufen, dass ich die Mächte gekannt hätte, die Euch aufs Korn nahmen. Ich hätte Euch allen Schutz meines Hauses angeboten, denn wir Könige sind alle Brüder.«
Schöne Worte, aber wohl kaum die Wahrheit. Hamid hatte ihnen keinen Kummer abnehmen wollen, nicht Hal, nicht irgendeinem der Morenianer. Hal sah die versammelten Wahlmänner an und dachte, dass Hamid schon genug Probleme hatte, auch ohne die Gefolgschaft in Sarmonia.
Ohne Hals forschenden Blick zu bemerken, fuhr Hamid fort. »Wenn ich irgendetwas für Euch tun kann, Halaravilli ben-Jair, wenn mein Haus Eurem Haus irgendeinen Trost bieten kann…«
Hal neigte in Anerkennung dieser Haltung den Kopf und ignorierte das aufgeregte Todesflüstern, das die Bewegung in seinem Schädel auslöste. Er sollte jetzt Unterstützung verlangen. Er sollte sagen, dass Kella zu Hamid gehört hatte und dass der Sarmonianer für die Fehler der Kräuterhexe bezahlen müsste.
Als Hal Hamid jedoch ansah, erkannte er, dass das Argument scheitern würde. Oh, Hamid würde Kella wahrscheinlich hinrichten. Das war nur allzu leicht. Aber er würde niemals zustimmen, ein Heer gegen die Gefolgschaft aufzustellen. Nicht hier. Nicht vor all seinen Wahlmännern.
Vielleicht hätte Rani Händlerin Hamid überzeugen können. Aber Hal nicht. Hal würde eine andere Strategie benötigen. Er würde seine eigene List brauchen. Er schaute zu Puladarati und Farso, wohl wissend, dass seine Berater den Schritt nicht gutheißen würden, den er nun unternehmen wollte. Er blickte rasch zu Pater Siritalanu. Würde der Priester dem schnell genug folgen können, was Hal sagen würde?
Dies waren verzweifelte Zeiten. Es war an der Zeit für verzweifelte Maßnahmen.
»Es gibt da etwas, Mylord.« Hamid zog nur eine Augenbraue hoch und wartete darauf, dass Hal fortfahren würde. Hal schluckte schwer und sponn seine Lüge. Welche Bedeutung hatte eine weitere Geschichte angesichts all dessen, was in Sarmonia geschehen war? »In meinem Königreich ist es unter Brüdern üblich, bei einem Verlust gemeinsam zu trinken. Die Tausend Götter erwarten von uns, als Familie einen Becher zu erheben, zu Ehren derjenigen, welche die Himmlischen Tore erreicht haben. Die Götter wollen, dass wir Könige uneingeschränkt trauern, allein und fern der Blicke all unserer Gefolgsleute, unseres ganzen Volkes.«
Um Glaubwürdigkeit bemüht deutete Hal auf Pater
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