Die Gilden von Morenia 05 - Die Meisterschaft der Glasmalerin
auszulöschen, was in deiner Jugend geschehen ist.«
Er zuckte die Achseln, und sie war erleichtert, ein Aufblitzen seiner vertrauten Ungeduld zurückkehren zu sehen, das seine blumigen Worte überdeckte. Das war einst die Kraft gewesen, die sie angezogen hatte, die sie in sein Bett gelockt hatte. Nun erinnerte sie sich zärtlich an seine Ruhelosigkeit. Sie fragte sich, ob so eine Mutter empfand, wenn sie ihren Sohn sich durch seine Aufgaben quälen sah.
»Dann los«, sagte er. »Du hast es lange genug verzögert. Brauchst du noch etwas von mir?« Tovins Stimme klang schroff, und sie fragte sich, wie viel ihrer Empfindungen er gerade in ihren Augen gelesen hatte.
Sie schüttelte automatisch den Kopf, zögerte, die Frage zu stellen, die sie während all dieser Wochen erwogen hatte, während all dieser Monate, seit sie aus Sarmonia zurückgekehrt war. Es war unwichtig, versuchte sie sich zu erinnern. Es war wirklich unwichtig. Tovins Augen schimmerten, während er einen Schritt näher herantrat. »Was?«, fragte er.
»Ich sollte nicht fragen.«
»Bist du schüchtern geworden? Jetzt?«
Sie verzog bei seinem Sarkasmus die Lippen. Also gut. »Warum, Tovin? Warum Kella? Was hat dich in ihre… Hütte geführt?« In ihr Bett, sagte sie nicht.
Sie hatte ihn tatsächlich überrascht. Unbehagen flackerte hinter seinen Augen, und er wollte von ihrem Werktisch forttreten. Er erwies ihr jedoch die Ehre, ihren Blick zu erwidern, und als er sprach, wählte er seine Worte sorgfältig. »Sie besaß Wissen, Ranita. Sie besaß Macht. Ich wollte alles lernen, was sie wusste. Ich wollte durch das Hypnotisieren ihre Weisheit erlangen.«
»Sie war uralt!«
Er schüttelte den Kopf und reckte das Kinn. Sie wappnete sich für die Worte, die sie lieber nicht hören wollte. »Nicht, was Wichtiges betraf, Rani. Sie konnte mir vieles beibringen. Wissen über Kräuter, und über andere Dinge.«
Andere Dinge. Ranis Gedanken huschten zu dem lavendelduftenden Strohsack, zu dem Bett, welches das Paar geteilt hatte. Rani hatte gefesselt auf diesem Strohsack gelegen. Sie hatte dort auf die Gefolgschaft gewartet, auf ihren Tod gewartet.
Das war jedoch Vergangenheit. Das war vorbei. Kella war an Hals Hof hingerichtet worden, ihr Kopf mit einem Schlag der Henkeraxt abgetrennt worden. Kella war tot, und es war nichts damit zu gewinnen, wenn sie Tovin ausfragte, nichts zu erfahren, wenn sie auf weitere Informationen drängte. Die Antworten waren kaum wichtig. Rani hatte keinen Grund zu fragen. Sie seufzte. »Wir verschwenden hier Zeit.«
Er ließ ihr einen Moment, um ihre Meinung zu ändern, um auf weitere Einzelheiten zu drängen. Als sie weiterhin schwieg, sagte er: »Gut. Beginnen wir das Spiel. Der erste Schritt ist der schwerste, jeden Tag.«
Sie lächelte über Tovins Spruch. Sie würde die Truppe vermissen, wenn sie hier fertig wäre, ihre disziplinierte Verspieltheit vermissen. Später, schalt sie sich. Später wäre viel Zeit für liebevolle Erinnerungen.
Tovin nahm ein Stück klares Glas vom Tisch, einen Bogen, der kaum seine Handfläche ausfüllte. Sie erinnerte sich an das erste Mal, als er sie in die Hypnose geführt hatte. Er hatte damals klares Glas benutzt, um sie einzustimmen, Glas, das sie mit einer Diamantklinge geschnitten hatte.
Sie atmete tief ein und betrachtete den Bogen, atmete so tief aus, wie sie konnte. Ein weiterer Atemzug. Noch einer. Sie stellte sich einen im strahlenden Sonnenlicht glitzernden, schnell dahinfließenden Strom vor.
Sie sprach über die Ausbilder, die sie begrüßt hatten, als sie im Gildehaus ankam. Sie erzählte ihre ersten Lektionen nach, wie die Ausbilder zunächst geduldig und dann zunehmend streng waren, während Rani mit leichten Aufgaben kämpfte. Sie erinnerte sich, wie man Tische kalkte, wie man mit frisch gewonnener Zeichenkohle Muster skizzierte. Sie erinnerte sich, wie man jene Linien auswischte, sie neu gestaltete, sie vereinfachte, sie verstärkte.
Sie folgte dem Hypnosestrom, drang tiefer in ihre Gedanken, in ihre Erinnerungen. Andere Ausbilder hatten Rani gelehrt, wie man Sand mischt und ihn erhitzt, wie sie die perfekte Ausgewogenheit für ihr Glas festsetzte. Sie hatte die Bestandteile abgewogen, so vorsichtig wie jeder Bäcker, und sie hatte ihren Schmelztiegel mit einer Eisenzange festgehalten. Sie hatte die geschmolzene Mischung umgerührt, sorgfältig das Gesicht abgewandt, um so tief wie möglich die kältere Luft über ihrer Schulter einzuatmen.
Der Hypnosestrom floss
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