Die Gilden von Morenia 05 - Die Meisterschaft der Glasmalerin
totgeborene Babys und Mordpläne. »Wenn Ihr einen Finger an mich legt, werdet Ihr nie wieder eine unbeschwerte Mahlzeit genießen. Ihr werdet niemals wissen, wann meine Schwestern erscheinen, wann sie Euch aufspüren werden. Wir haben schnell und langsam wirkende Gifte. Wir haben Tränke, die Euch so vergesslich machen wie den Großvater Eures Großvaters. Wir haben Kräuter, die Ihr niemals riecht, niemals schmeckt, die Euren gesunden Arm aber stärker verkümmern lassen werden als Euren kranken. Bringt mich zu einem Treffen! Lasst mich Eure Gefolgschaft sehen.«
Sie die Gefolgschaft sehen lassen. Sie die Machtbasis in Sarmonia sehen lassen. Sie sehen lassen, wem man sich annähern kann, wem man sich entgegenstellen kann, wem man nachgeben kann. Sie ihre Zukunft sehen lassen.
Er sah sie so lange an, dass sie ihr Wagnis fast bereute. Sie bezweifelte nicht, dass er sie kaltblütig töten könnte, dass er die Hand ausstrecken und ihr ebenso leicht die Kehle aufschlitzen wie ihre Bitte gewähren könnte. Er hatte schon früher getötet – um sich zu retten und um des reinen Vergnügens daran. Schließlich nickte er. »Ich bringe Euch zur Gefolgschaft. Morgen Nacht. Nach Mondaufgang. Tragt einen dunklen Umhang.« Und nachträglich fügte er hinzu: »Ihr könnt reiten?«
»Ich werde es tun.« Nun, wie sonst konnte sie seine Frage beantworten? Sie würde es erst wissen, wenn sie es versuchte.
»Das genügt.« Er schaute zur Tür ihrer Hütte, und sie erkannte, dass er sich fragte, welche Kräuter dort verborgen waren, welche Macht verstaubt und unerprobt in den Dachsparren hing. Er schluckte unbehaglich, wodurch die Narbe hoch auf seinem Wangenknochen gestrafft wurde. Sein Messer blitzte auf, und er durchschnitt das Seil um ihre Handgelenke, sägte es mit einem gleichmäßigen Schnitt durch. »Bis morgen«, sagte er.
»Bis morgen.« Sie beobachtete, wie er stark hinkend ihre Lichtung verließ. Sie stellte sich die Kräuter vor, die sie mischen könnte, um seine Beschwerden zu lindern. Sie stellte sich die Kräuter vor, die ihn töten würden.
Am folgenden Nachmittag genoss Kella den letzten Sonnenschein des Nachmittags. Sie hielt ein scharfes Messer in einer und eine Schnur in der anderen Hand. Es war allerhöchste Zeit, die letzte Ernte aus dem Garten bei der Tür einzubringen.
Sie summte beim Arbeiten vor sich hin, ein altes Lied, das ihre Mutter ihr beigebracht hatte, als sie ein kleines Mädchen war. Es fühlte sich gut an, ihre Muskeln zu strecken – sie war nach ihrem Kampf mit dem Soldaten am Vortag steif.
Sie schüttelte verärgert den Kopf. Sie konnte noch immer nicht glauben, dass es ihr nicht gelungen war, seinen Namen zu erfahren. Sein Angriff hatte sie so überrascht… Sie wurde alt, älter als sie jemand anderem als den Schwestern gegenüber zugeben mochte. Alt genug, dass sie Tovin in der Nacht zuvor vertrieben hatte und kaum sich selbst gegenüber eingestehen konnte, dass sie zu erschöpft war, um seine Art Aufmerksamkeit zu genießen.
Als sie ihre Stellung änderte, um ein Büschel von Kräutern besser zu erreichen, hörte sie Schritte hinter sich. Sie fuhr rasch herum und war nur unwesentlich erleichtert, einen Neuankömmling dort stehen zu sehen. Nicht den Soldaten. Nicht Tovin, der eine weitere Lüge fordern könnte.
Dieser Mann war ganz in Grün gekleidet, seine Gewänder waren von der Farbe erster Frühlingsblätter. Also war er ein Priester. Ihrem Beruf wahrscheinlich nicht sehr wohlgesinnt. Er keuchte ein wenig angestrengt. Er war es wohl nicht gewohnt, durch den Wald zu laufen. Sein rundes Gesicht war gerötet. Die Farbe ließ ihn jungenhaft wirken. Sie vermutete, dass er älter war, als er auf den ersten Blick schien, denn sie sah, dass sein Haar bereits dünn wurde.
»Gute Frau«, sagte er und verbeugte sich leicht aus der Taille. Zumindest bemühte er sich, höflich zu sein. Das war mehr, als sie von den meisten ihrer Besucher behaupten konnte. Sie widerstand reumütig dem Drang, über die Quetschung zu reiben, die sich über ihren Rücken ausbreitete, oberhalb ihrer armen Nieren.
»Mein Herr.« Sie sprach gerade noch höflich. Dies könnte immerhin ein Ratsuchender sein, ein Mann auf der Suche nach einem Trank. Die Chance war jedoch gering. Priester verhielten sich alle so, als wären Kellas Kräuter ein Sakrileg.
»Tovin Gaukler hat mich hierhergeschickt, gute Frau. Er sagte, dass ich von Euch lernen könnte. Das heißt, wenn Ihr Zeit habt. Wenn Ihr nicht beschäftigt
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