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Die gläserne Welt

Die gläserne Welt

Titel: Die gläserne Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Hoff
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wirklich alles auf einmal! »Nein!« rief er beteuernd, beschwörend, »ich habe es nicht getan. Aber wenn Sie mir nichts Besseres zutrauen –« Er stockte und wußte selbst nicht, was er noch sagen sollte.
    Gloria trat zurück. Hilflos ruhte ihr Blick auf seinem verzerrten Gesicht. Ihr war, als sei plötzlich ein Wall zwischen ihnen errichtet. Langsam wandte sie sich zum Gehen.
    Wilbur bemühte sich nicht, sie zurückzuhalten. Er war wie gelähmt. Tausend wirre Gedanken, Befürchtungen, Ängste, schwirrten ihm durch den Kopf. Er sah, wie sie langsam die Tür öffnete, wie sie ging. Wie flehend erhob er die Rechte. Aber dann sank er kraftlos auf seinen Stuhl zurück.
     
    »Der Nächste, bitte!«
    Ein Neger trat in das Ordinationszimmer. Dr. Morton begrüßte ihn mit einem freundlichen Lächeln. Der Neger grinste. Man sah das Weiße der Augen, die blitzenden Zähne zwischen den aufgeworfenen Lippen; im übrigen sah man schwarz.
    »Nun, Johnny«, sagte der Doktor, »du hast mich ja schön beschwindelt.«
    »Beschwindelt? Aber Doktor!«
    »Wirst du noch immer von deinen unerträglichen Kopf- und Rückenschmerzen gequält?«
    »Immer noch, Doktor. Schlimmer, als je.«
    »Versteht sich. Weil du mir nicht die Wahrheit gesagt hast, Johnny. Das Leiden rührt gar nicht von dem Eisenbahnunfall her, wie du mir weismachen wolltest. Es hat ganz andere Gründe. Ganz andere. Hörst du?«
    »Ich höre, Doktor.« Johnny blickte starr, entgeistert. »Oh – Doktor!«
    »Deine Frau ist ein Drachen, nicht wahr?«
    Johnny blickte fragend, zweifelnd. Soll er antworten? Sollte er zugeben –? Nein! Er schweigt.
    Dr. Morton schiebt sein Stethoskop hin und her. »So nennst du sie jedenfalls in Gedanken«, ergänzte er, »ich kenne deine Gedanken. Gestern erst hast du wieder einmal bedauert, daß sie nicht bei dem Eisenbahnunglück mit umkam.«
    Johnny krampfte entsetzt die Hände zusammen. Über seine speckigen, dunklen Züge huschte es wie ein Schatten. »Oh, – Doktor! Woher wissen Sie meine Gedanken?«
    »Du kannst mir jetzt nichts mehr vormachen, Johnny. Deine Frau hat dir gestern Abend den Ausklopfer dermaßen um die Ohren geschlagen, daß du k.o. warst. Da lagst du am Fenster – wie hingespuckt.«
    »Doktor – das wissen Sie auch?«
    »Ja. Alles weiß ich jetzt, Johnny. Alles. Deine Alte beherrscht dich vorne und hinten, sie terrorisiert dich – du hättest nichts mehr zu lachen bei ihr, wenn – ja, wenn du deine Krankheit nicht immer wieder vorschützen könntest. Die ist deine Rettung, dein Talisman, deine Anweisung auf eine menschenwürdige Behandlung.«
    »Wie, Sir – die Krankheit –?«
    »Jawohl. Dein eingebildetes Nervenleiden, mit dem du mir hier deine Rätsel zu raten gabst. Aber nun bin ich dahintergekommen. Nun falle ich nicht mehr darauf herein. Daß es sich um kein organisches Leiden handelte, hatte ich längst erkannt. Deshalb konnten auch die Tropfen nicht helfen, die ich dir neulich verschrieb. Immerhin hätten sie dir über den Weg der Einbildung nützen können. Doch das verstehst du nicht. Kommen wir auf deine Frau zurück. Du dachtest dir: wenn ich der Alten was vorspiele, wenn ich den Kranken markiere, kann sie nicht so hart zu mir sein. Ja ja mein Lieber – die typische Flucht in die Krankheit. Schließlich hast du auch wirklich richtige Schmerzen verspürt. Die Schmerzen hast du dir selbst geschaffen. Ja, so was gibt es. Das hat man sehr oft sogar. Aber das dulde ich künftig nicht mehr, verstanden? Von jetzt ab wird aufgetrumpft, von jetzt ab wirst du , mein Lieber, dem alten Drachen den Ausklopfer oder das Scheuertuch um die Ohren schlagen.«
    »Oh – Doktor!«
    »Alles wird sich verwandeln. Und deine Schmerzen, du wirst es erleben, Johnny, – ja, deine Schmerzen, die sind dann wie weggeblasen. Spürst du augenblicklich etwas davon?«
    Johnny faßte sich an die Stirn. »Augenblicklich«, erklärte er, »ist es auszuhalten.«
    »Siehst du – sie fliehen schon, sehen schon ein, daß sie bei dir nichts mehr werden können. Sie werden verschwinden, Johnny. Ja, ja, sie werden völlig verschwinden! Du wirst bald wieder ein ganz gesunder und ganz normaler Niggerboy sein. Und morgen schickst du mir deine Frau her, verstanden?«
    Johnny grinste. »O ja. Meine Frau schicken. Und den Ausklopfer auch –?«
    Morton mußte laut lachen. »Nein. Den brauche ich nicht. Nur die Frau. Ich möchte sie mir doch einmal anschauen.«
    Johnnys Grinsen wurde breit und ausladend. »Anschauen. Oh, Doktor, – vorher müssen

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