Die gläserne Welt
Zufriedenheit aller Beteiligten – zu Ende geführt.
Auf Glorias Bitten hin brachte man noch einen Tag in der spanischen Hauptstadt zu. Man bummelte durch die Altstadt. Modernes hatte man in New York zur Genüge. Das echte spanische Leben pulsierte in kleinen, abgelegenen Gassen, wo halbnackte Kinder sich zwischen Verkaufsständen tummelten, – wo schwermütig-ernste Volkslieder aus den Tavernen erschallten oder auch eine Tänzerin wirbelnd beim Klappern der Kastagnetten das Blut ihrer männlichen Zuschauer aufzupeitschen versuchte, wobei ihre Glutaugen lodernd den einen suchten, der ihrem Herzen am nächsten stand.
Hier kauerte ein Bettler im bunt zusammengewürfelten Lumpengewand vor einer maurischen Toreinfahrt und erwies mit der Miene eines Granden den Spendern die Ehre, Almosen von ihm anzunehmen, – und dort wieder stritt sich ein Kastanienverkäufer mit einer keifenden Frau herum, deren Redekaskade nicht mehr zu hemmen war. Ein Treiber mit einem Eselchen, dreimal so hoch bepackt wie es groß war, zog, eine Melodie vor sich hinsummend, stolz erhobenen Hauptes vorüber. Alles spielte sich hier mit einer Ruhe und Gelassenheit ab, die zu dem Leben und Treiben in den modernen Stadtteilen in einem krassen Gegensatz stand.
Gloria gab sich mit Wohlgefallen dieser Beschaulichkeit und dem eigenartigen fremden Fluidum hin, von dem sie sich auf das höchste gefesselt fühlte. George sah alles mit nüchternen Augen an. Was Gloria romantisch fand, nannte er Schlendrian, was sie als malerisch bezeichnete, nannte er Schmutz. Alle Dinge, die er hier sah, lagen seinem Denken und Trachten so fern, daß er sich nicht damit befreunden konnte. Ihm war es lediglich darum zu tun, mit Gloria zusammen zu sein, sich an ihrem Anblick zu freuen und ihre liebliche Stimme zu hören. Zeitweise bemühte er sich, in ihre Begeisterung einzustimmen. Aber dann wurde ihm klar, daß er ihr seine wahre Empfindung doch auf die Dauer nicht werde verbergen können. So äußerte er dann seine richtige Meinung.
»Ich weiß nicht«, bemerkte er, »aber hier kann ich nicht warm werden, wirklich nicht. Wie ist das doch alles noch primitiv! Hier lebt man ja, wie man bei uns vor hundert Jahren gelebt haben mag.«
»Ich sehe«, erwiderte Gloria, »Sie haben eine zu nüchterne Denkungsart, um den Zauber dieser Romantik mitzuempfinden. Eigentlich ist es schade darum.«
»Wieso?« Er blickte sie lächelnd an. Auch sie lächelte. Sie verstanden sich nicht. Dabei hatte sie schon geglaubt, daß sie sich ihm mehr und mehr würde anpassen können. Wilbur, meinte sie, würde sie in diesen Dingen sicherlich besser verstehen. Hier kam es auf ein gewisses künstlerisches Empfinden an, das George nun einmal nicht besaß. Das würde man ihm aber auch nicht beibringen können.
Immer häufiger schaltete Wilbur sich auf seinen Bruder ein. Immer eifriger wurde ihr Gedankenaustausch. Wilbur erlebte die Reise mit, er nahm an fast allen Verhandlungen teil. Und George beriet den Bruder, was dessen neueste Experimente betraf. Unerwartet hatte Wilbur eine Art von Strahlen entdeckt, die er noch nicht zu deuten wußte. Sie traten in Intervallen auf, wie Morsezeichen, wofür sie George nach den Erläuterungen seines Bruders auch hielt. Wo aber kamen die Zeichen her – und welchen Sinn hatten sie? Diese Fragen konnte niemand beantworten. Techniker und Wissenschaftler beschäftigten sich bereits mit diesem Problem. Die seltsamsten Vermutungen wurden laut. Sollten es drahtlose Nachrichten der Bewohner eines anderen Planeten sein? Mit Ganglienschwingungen hatten sie offenbar nichts zu tun.
Mit den ›Taftschen Schwingungen‹ hatte sich das Pariser Forschungsinstitut eingehend beschäftigt. Hier hatte man sich zum Teil den Theorien des deutschen Arztes Dr. Carl Ludwig Schleich angeschlossen, der von den ›Funktionen des Nervenapparates und seiner Stromquellen ‹ spricht, die von den ›eineinhalb Milliarden im phosphorigen Glanze blinkenden Gangliensternen‹ gebildet werden. »Ist es so gänzlich ausgeschlossen«, schrieb Schleich, »daß Strahlungsarten gefunden werden, welche modifizierter Äther sind, die sicher außer Elektronen auch manches andere mechanisch formieren?« ... »Nach Ottomar Rosenbach«, schreibt er weiter, »erzeugen diese bewegten Wellen aller Art durch Reibungen an den kleinsten elektrischen Ganglienkörpern molekulare kleinste elektroide Stromquellen für die Aufrechterhaltung der vielfach benötigten elektrischen Spannungen im Nervensystem. Also
Weitere Kostenlose Bücher