Die gläserne Welt
wagen sie gar nicht mehr, uns zu belügen. Wir sind in der Lage, ihr kleines Innenleben und ihre Entwicklung genau zu beobachten und sofort einzugreifen, wo sich irgendwie eine falsche Anschauung oder ein Fehlschluß zu bilden beginnt.«
»Ja«, schaltete Tobin ein, »das ganze Erziehungswesen wird dadurch revolutioniert. Gerade gestern las ich davon, daß man auch in den Schulen demnächst die Geräte einführen wird.«
»Uns«, meinte Milton, »fällt es noch schwer, mit der Vorstellung fertig zu werden, daß wir jederzeit belauscht werden können. Für die nächste Generation wird es schon etwas Selbstverständliches sein.«
»Vor den ersten Autos«, bemerkte Tobin, »sind auch zunächst viele Menschen mit Schrecken davongelaufen. Und heute? Du siehst, mein Lieber – alles ist nur Gewohnheitssache.«
Es ging schon auf Mitternacht zu, als Milton endlich den ersten Belauschungsversuch unternehmen konnte.
Dumpf brummend zogen die beiden Großflugzeuge George Tafts über Belgien und Frankreich dahin. Die Reise ging nach Madrid, wo man von spanischen und portugiesischen Regierungsvertretern und Industriellen erwartet wurde.
Gloria hatte es sich in der Kabine bequem gemacht. Sie sitzt zurückgelehnt an einem der Seitenfenster und blickt auf das unten vorübergleitende Brüssel hinab. George, ihr gegenüber, ist mit der Ausarbeitung eines Planes beschäftigt. Auch Georges neuer Privatsekretär, den er in Den Haag engagiert hat, ein Amerikaner namens Fleet, befindet sich noch in dem Raum. Fleet hat sich in die Lektüre eines Buches vertieft.
Gloria denkt noch einmal an die schönen in Holland verlebten Tage zurück.
Nun ging es südlichen Zonen zu. In wenigen Stunden mußte man in Spanien sein. Sie kannte dieses Land noch nicht. Daher war sie gespannt darauf, wie es ihr dort gefallen würde. Für spanische Kunst und Literatur hatte sie sich einmal sehr interessiert. – Ob man wohl auch einen Stierkampf zu sehen bekam?
In Madrid wurde George mit großen Ehren empfangen. Zahlreiche Menschen hatten sich auf dem Flugplatz eingefunden, um den Erfinder zu begrüßen. Man brachte Hochrufe auf ihn aus, man jubelte ihm spontan zu. Er kam sich wie ein gefeierter Künstler vor.
Am gleichen Tage noch verhandelte er mit Regierungsvertretern. Alles spielte sich ähnlich wie in der britischen Hauptstadt und wie in Den Haag ab.
Als George sich nach der Verhandlung zurückziehen wollte, trat ein gut aussehender Herr mit pechschwarzem Haar über einer hohen Denkerstirn auf ihn zu. Ohne zunächst ein Wort zu sagen, griff dieser Herr nach Georges Hand, drückte sie heftig und blickte den jungen Erfinder aus glutvollen Augen mit einem Ausdruck tiefer Ergriffenheit an. Endlich murmelte er einige Worte in seiner Sprache, die George nicht verstand. Dann lächelten beide einander an, bis der Spanier erkannte, daß er sich hier ja englisch verständigen konnte. Und in fließendem Englisch bemerkte er: »Sie also sind der Bruder des Mannes, der meiner Frau das Leben gerettet hat. Sein Zwillingsbruder. Also können auch Sie nur ein edler Mensch sein!«
George verstand ihn im ersten Augenblick nicht. Wer war das? Was redete dieser Herr? Wilbur sollte der Frau –?
Plötzlich ging ihm ein Licht auf. Das mußte Professor Galloni sein! Hatte nicht Wilbur seinerzeit einen Spezialarzt zur Behandlung der herzkranken Frau aus den Staaten herübergeschickt?
Galloni stellte sich nachträglich vor. Wieder griff er nach Georges Hand. »Ich bin aus Barcelona herübergekommen, um Sie zu begrüßen, Señor. Ich mußte Sie kennenlernen, und nun weiß ich ja auch, wie Ihr Bruder aussieht – da Sie sich beide so ähnlich sind, wie es heißt. Ich würde mich gerne ein wenig eingehender mit Ihnen unterhalten.«
George forderte den Professor auf, mit auf sein Zimmer zu kommen und unterhielt sich lange mit ihm. Dabei stellte es sich heraus, daß Galloni sich neuerdings ganz der Taftschen Erfindung verschrieben hatte und augenblicklich damit beschäftigt war, einige Bücher, die sich mit der Erfindung beschäftigten, ins Spanische zu übersetzen.
George verehrte dem Professor ein kleines Gerät, wie es jetzt auf den Markt kam, – einen Schwingungsempfänger, der nicht größer war, als eine Zigarrenkiste. »Hierdurch«, sagte George, »können Sie nun mit meinem Bruder in einen direkten Gedankenaustausch treten.«
Am folgenden Tage wurden die Madrider Verhandlungen – wiederum viel rascher als man vermutet hatte, und wiederum zur vollsten
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