Die Glasblaeserin von Murano
getan. Versteht Ihr denn nicht? Jetzt kann ich ihm endlich vergeben. Er hat sich versündigt, damit wir zusammen sein können. Zwar ist er nicht zu mir zurückgekehrt, wie er versprochen hatte, aber er hat sein Leben für meines hergegeben.» Sie lächelte.
«Und er hat mich geliebt!»
Als Leonora Manin am Arm von Padre Tommaso durch den Mittelgang der Kirche Santa Maria della Pietä schritt -dem Ort, an dem sie einundzwanzig Jahre ihres Lebens verbracht hatte -, sangen die Waisenmädchen besonders lieblich, wie mit Engelsstimmen. In einem prächtigen, golddurchwirkten Gewand stand Lorenzo Visconti-Manin am Altar und wartete auf seine Braut. Padre Tommaso blickte mit einiger Missbilligung auf den ganzen Putz - bis sich der Bräutigam umdrehte und Leonora mit Tränen in den Augen entgegenblickte. Als der Pater sie ihrem Ehemann übergab, fasste sich das Paar nicht bei den Händen, so wie es üblich war. Lächelnd und mit einer Selbstverständlichkeit, als hätten sie die rituelle Geste oftmals geübt, streckte jeder eine Hand aus, und sie legten Fingerspitze an Fingerspitze, Daumen an Daumen, bis ihre Hände einem Stern glichen.
Kapitel 43
Im «Do Mori»
Salvatore Navarro, wegen eines Auftrags in die Cantina «Do Mori» bestellt, war weniger überrascht als vielmehr entsetzt, als die Stimme ihn nicht auf Venezianisch, sondern auf Französisch begrüßte. Man hatte ihn zwar gewarnt, dass so etwas passieren könnte, doch ernsthaft gerechnet hatte er damit nicht. Sofort hatte er das Bild Corradino Manins vor Augen, wie dieser mit einem Glasdolch im Rücken vornüber in die eisigen Fluten des Kanals stürzte, sich seine Kleider voll Wasser sogen und ihn in die Tiefe zogen. Auf der Stelle und ohne der Stimme auch nur eine Spur von Aufmerksamkeit zu schenken, stand Salvatore auf und verließ die Cantina, so als würde ihn jede Minute, die er in Gesellschaft dieses Mannes verbrachte, zum Verräter stempeln.
In der Abendluft keuchend, rannte Salvatore die Calle dei Mori hinunter bis zum Kanal. Ängstlich blieb er stehen und lauschte aufmerksam, ob nicht Schritte hinter ihm erklangen. Endlich vernahm er voller Erleichterung den vertrauten Ruf «gondola gondola gondola». Er gab dem Gondoliere ein Zeichen, stieg ein, lehnte sich in die Samtkissen zurück und wies den Bootsführer an, zum Dogenpalast zu fahren. Dann erst begann Salvatore unkontrolliert zu zittern.
In der Gaststube des «Do Mori» zuckte Duparcmieur gleichgültig mit den Schultern und trank einen Schluck von seinem Wein. Durch Corradinos Tod war den Glasbläsern offenbar eine Warnung hinterbracht worden, es war nur zu verständlich, dass Salvatore nicht gewillt war, in seine Fußstapfen zu treten. Doch früher oder später würde jemand dem Gold des Königs nicht widerstehen können, das war sicher. Duparcmieur betrachtete sein Glas und überlegte -ja, er hatte noch Zeit genug, seinen Wein auszutrinken und zu verschwinden, bevor der von Salvatore alarmierte Rat der Zehn einen seiner Handlanger schickte. Er nahm einen großen Schluck. Der Wein hier war
wirklich ganz ausgezeichnet.
Kapitel 44
Leonoras Herz
Es war eine schwere Geburt gewesen, daher musste Leonora noch einen weiteren Tag im Krankenhaus bleiben. Sie war keine geduldige Patientin, sie wollte nach Hause und war froh, als sie endlich gehen durfte.
Die kleine Familie nahm vom Krankenhaus aus ein Boot. Als sie durch die Kanäle fuhren, weidete Leonora sich am Anblick der Paläste und Brücken, als sähe sie sie mit neuen Augen. Sie hatte sich wieder mit Venedig versöhnt, ja, liebte es von ganzem Herzen, und die Stadt gab ihr die Liebe zurück. Hier gehörte sie hin. Hier hatte sie ihrem Kind das Leben geschenkt und hier sollte es aufwachsen. Und was Corradino anbelangte - sie hatte ihm verziehen.
Leonora hatte sich im Krankenhaus sehr nach ihrer ruhigen, gemütlichen Wohnung gesehnt. Zwar würde dort bald das Chaos ausbrechen - im Flur türmten sich bereits Alessandros Habseligkeiten -, aber sie freute sich unbändig darüber, dass er bei ihr einziehen würde. Als sie die Tür aufdrückte, fiel ihr Blick auf den Rubinring an ihrer Hand, und sie musste an den Augenblick im Krankenhaus denken, als Alessandro ihr zu ihrer Überraschung einen förmlichen Heiratsantrag gemacht hatte. Sie hatte natürlich ja gesagt.
Hinter ihr kam Alessandro die Treppe herauf. Er trug seine kostbare Last in einer Babytragetasche und stellte sie behutsam neben dem Bett ab. Ihrem Ehebett. Die Madonna
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