Die Glasblaeserin von Murano
ob Sie mich, die Glasbläserin, wollen oder nur die Galionsfigur für Ihren Werbefeldzug?»
«Ach ja, da fällt mir mein zweites Geschenk ein», sagte Adelino lächelnd und durchsuchte mit übertriebenem Eifer alle seine Taschen, womit er Leonora gegen ihren Willen ein Lächeln entlockte. Schließlich brachte er mit der Geste eines Zauberers, der eine Reihe aneinandergeknoteter bunter Tücher vor seinem staunenden Publikum aus dem Hut zieht, aus seiner letzten Tasche ein vertrautes blaues Band zum Vorschein. Mit offenem Mund starrte Leonora auf das rubinrote Glasherz, das daran baumelte. Vollkommen wie immer, hielt es das Licht in seinem Inneren gefangen. Leonora schaute Alessandro an, doch der schüttelte nur den Kopf, ebenso verblüfft wie sie.
«Wer hat das denn aus dem Kanal gefischt?», stießen beide gleichzeitig hervor.
Adelino runzelte verständnislos die Brauen. «Was meinen Sie damit?»
Alessandro, der sich für sein Benehmen auf der Brücke schämte, erzählte ihm zerknirscht von dem Vorfall. «Es wundert mich, dass jemand es gefunden hat», schloss er.
Adelino lächelte. «Aber nein, das hier ist nicht Corradinos Herz. Das hat offenbar seine Ruhe gefunden - zum Glück. Überlassen wir es der Stadt und dem Wasser.»
Die Stadt und das Wasser. Die hatten sich auch Corradino geholt. Das Glasherz hatte wirklich einen passenden Ort für die Ewigkeit gefunden.
«Das hier» - Adelino ließ das Herz baumeln, das in der Sonne aufblitzte - «ist eines von denen, die Sie in der Fondaria gemacht haben, Leonora. Das ist der Grund, warum ich Sie wiederhaben will. Wenn Sie Ihr Glasherz mit dem Ihres Vorfahren verwechseln, dann sind Sie ganz offensichtlich eine bessere Glasbläserin, als Sie glauben.» Er bedachte Leonora und Alessandro mit einem breiten, strahlenden Lächeln.
Leonora schaute das Herz prüfend an, doch sie konnte die Fehler, die sie früher daran entdeckt zu haben glaubte, nicht mehr sehen. «Also gut», sagte sie langsam, «ich komme zurück. Aber noch nicht sofort. Zuerst muss ich mich um meinen Sohn kümmern. Lassen Sie mir ein paar Monate Zeit. Sie können natürlich gern jetzt schon das gesamte Werbematerial einsetzen und die Kampagne starten.» Sie lächelte. «Ich bin sicher, das hätten Sie sowieso getan.» Adelino erwiderte ihr Lächeln voller Erleichterung.
Leonora blickte auf das schimmernde Herz in ihrer Hand. «Ich werde es in Ehren halten, so wie du es wolltest», sagte sie flüsternd, in Gedanken bei Corradino, der sein Kind genauso innig geliebt hatte, wie sie ihren Sohn liebte. Sie wollte sich das Herz gerade um den Hals binden, da hielt Adelino ihren Arm fest.
«Was machen Sie denn da? Das ist nicht für Sie!» Er zwinkerte ihr zu.
«Nein?»
«Nein, es ist für den kleinen Corradino», sagte der Alte und zeigte auf das Baby.
Leonora und Alessandro tauschten einen liebevollen Blick.
«Schau mal, Corradino.» Leonora ließ das Herz über dem Baby baumeln, das sich auf dem Schaffell räkelte. «Wie gefällt dir dein Familienerbe?»
Eine kleine Hand reckte sich empor und schloss sich mit festem Griff um das funkelnde Glas.
Danksagung
Ich danke der Stadt Venedig und den Glasbläsern von Murano, die mich zu diesem Buch inspiriert haben. Dank gebührt außerdem meiner wunderbaren Agentin Tresa Chris, die an dieses Buch geglaubt hat. Darüber hinaus möchte ich Sacha Bennett danken - für die Zeit, die ich hatte, dieses Buch zu schreiben, für seine Ideen und seinen wertvollen Rat. Er hat dieses Buch erst möglich gemacht.
Informationen zum Buch
Ein dunkles Geheimnis. Ein Herz aus Glas. Eine Liebe, die Jahrhunderte überdauert.
Venezianisches Glas: kostbar wie Gold. Um das Geheimnis seiner Herstellung zu wahren, verbannte der Rat der Stadt die Glasbläser auf die streng abgeschirmte Insel Murano. Als Corradino Manin, der berühmteste der Glaskünstler, 1661 einen Fluchtversuch wagt, bringt er nicht nur sich selbst in Gefahr, sondern auch die, die er liebt.
Fast vierhundert Jahre später stößt die junge Leonora Manin auf das Erbe ihrer Familie. Sie ahnt nicht, wie eng die Vergangenheit mit ihrer eigenen Zukunft verknüpft ist, wie sehr ihr eigenes Glück von Corradinos Schicksal abhängt...
Informationen zur Autorin
Marina Fiorato ist Venezianerin und lebt in ihrer Wahlheimat London. Nach einem Kunst- und Literaturstudium in Oxford war sie als Illustratorin, Schauspielerin und Theaterkritikerin tätig.
Weitere Veröffentlichung: Die Madonna von
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