Die Glaszauberin pyramiden1
hieß uns zu einem Wagen gehen, den er bereitgestellt hatte. Er war größer als Hadones Gefährt und wurde von vier stämmigen Maultieren gezogen. Darin warteten bereits fünf andere Sklaven: zwei Steinmetze, ein Zimmermann, ein Metallarbeiter und ein weiterer Glasmacher.
Mein Vater freute sich, als wir ihre Handwerke erfuhren.
»Also eine Baustelle«, sagte er, als der Wagen anfuhr. »Und eine große dazu«, fügte er hinzu, als er sich die Summe in Erinnerung rief, die Kamish für uns bezahlt hatte.
Seine Finger umklammerten den Werkzeugbeutel, er senkte die Stimme. »Geht es dir gut?« fragte er mich. »Hat er dir weh getan?«
Ich zuckte zusammen, denn ich hatte angenommen, er wisse nicht Bescheid, und dann errötete ich. »Es war nicht schlimm«, sagte ich in der Hoffnung, daß das reichen würde.
»Du hast einen hohen Preis für meine Dummheit gezahlt, Tochter«, sagte er und wandte den Kopf ab.
Und hätte ich nicht diese Vase zerbrochen, dachte ich düster, würde ich noch immer zu Hause sein und dummen romantischen Träumen über einen zukünftigen Ehemann nachhängen. Ich konnte meinem Vater keine Schuld geben, vor allem nicht wegen des Verlustes meiner Freiheit oder meiner Jungfräulichkeit, und ich legte ihm beruhigend die Hand auf den Arm und hoffte, er würde verstehen.
Aus den engen Gassen Adabs reisten wir auf das offene Land hinaus – ein Gebiet mit niedrigen, sanft gewellten Bergen, die in eine Ebene ausliefen. Ich sah nach dem Stand der Sonne – wir reisten weiter nach Süden.
»Wir fahren nach Ashdod«, sagte einer der Metallarbeiter, der meinen Blicken gefolgt war. »Kamishs Herren kommen aus Ashdod, und dort reisen wir jetzt hin.«
Wir verbrachten eine Stunde damit, in der allgemeinen Händlersprache Informationen auszutauschen. Von den Fünfen waren drei durch Schulden in die Sklaverei geraten, während die anderen beiden ihr Leben lang nichts anderes gekannt hatten; schon ihre Mütter waren Sklavinnen gewesen.
Niemand wußte etwas Genaues über das südlich gelegene Reich von Ashdod; es war lediglich bekannt, daß seine Einwohner gern unter sich blieben und daß in den vergangenen fünfzehn Jahren eine ständig wachsende Zahl von Einkäufern wie Kamish auf den Märkten erschienen waren und viel Geld für Handwerker für eine Baustelle ausgaben.
Und die höchsten Preise zahlten sie für Glasmacher. Liebevoll strich mein Vater über seinen Werkzeugbeutel.
Bald brannte die Sonne über uns in ihrer vollen mittäglichen Hitze, und Kamish ließ anhalten.
»Wir verbringen die nächsten Stunden im Schatten dieser Palmen«, sagte er und gab den sechs Männern, die als Wächter mit uns ritten, ein Zeichen, uns vom Wagen zu helfen. »Wir werden jeden Tag in der Morgendämmerung aufstehen, bis mittags reisen, uns in der Hitze des Tages ausruhen und dann weiterfahren, bis die Sterne am Himmel stehen.«
»Und wie lange wird unsere Reise dauern?« wagte ich zu fragen.
»Lange genug«, erwiderte Kamish, »lange genug.« Er wandte sich ab und wollte nichts mehr dazu sagen.
Und sie dauerte wirklich lange genug. Nach zwei Tagen schlossen wir uns einer Handelskarawane an, einer Reihe schwer beladener Kamele und Maultiere, die von etwa zwanzig Männern begleitet wurden. Die Händler wiesen uns das Ende des Zuges zu; ihre Münder verzogen sich vor Ekel bei dem Gedanken, daß sich ihnen ein Sklavenkonvoi anschloß. Aber Kamish hatte sechs Wächter, und auf offenem Gelände, wo Räuber lauerten, wogen die zusätzlichen Wächter die Beleidigung, die sieben Sklaven darstellten, wieder auf.
Je weiter wir nach Süden vordrangen, desto heißer wurde es. Mein Vater und ich trugen leichte Gewänder, die Hadone uns gegeben hatte, aber bald wurden selbst diese zu warm, und eines Mittags trennten wir die Ärmel ab, rissen den Stoff der Kleider auf der Höhe des halben Oberschenkels ab und schlangen den gewonnenen Stoff um unsere Taillen und anstandshalber zwischen die Beine. Nur anstandshalber, denn so etwas wie Schamgefühl hatte ich schon längst hinter mir gelassen, auf einer Reise, bei der ich die einzige Frau unter mehreren Dutzend Männern war. Aber auch unter Sklaven gibt es einen gewissen, allgemein gültigen Respekt, und keiner von ihnen unternahm jemals den Versuch, mich anzufassen, während Kamish, die Wächter und die Händler mich wie Luft behandelten.
Nach einer Woche Reise über unfruchtbare Ebenen, die nur gelegentlich von einer um eine Quelle oder einen Brunnen wachsenden Gruppe von
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