Die Glücksritter von Schreckenstein
Fahrradtrupp auf die verschlafenen Beine gestellt, stark genug, um alle Schreckensteiner Boote zurückzurudern und die Schuhe gegebenenfalls auf dem Landweg heimzubringen. Zu ihnen gesellten sich Stephan, Mücke, Andi, Walter, Hans-Jürgen und Dampfwalze, der sich zum Bewacher von Ingrid ernannt hatte. Klaus und Dieter blieben in der Folterkammer, Beni und Werner im Burgfried zurück.
„Haben wir doch die richtige Nase gehabt!“ freute sich Pummel und stieg mit Eugen in den See. Sie mußten ins Schilf schwimmen, wo sie ihren Eigenbau versteckt hatten. Auf dem Steg zogen sie sich an und segelten als „Wasserwacht“ bei leichtem Wind den Mädchen hinterher.
Zu diesem Zeitpunkt rollte der Radtrupp bereits in zügiger Fahrt nach Wampoldsreute hinunter. Dampfwalze hatte wegen der kostbaren Fracht sogar auf seine Rennmaschine verzichtet und sich das Rad von Klaus geliehen, das eine Beleuchtung besaß. Vom Lenkervorbau führte ein etwa drei Meter langes Seil zum Gepäckträger an Ingrids Rad. Auf diese Weise hatte er sie immer im Scheinwerferkegel, und sie konnte nicht plötzlich abbiegen, zumal Andi und Walter sie flankierten.
An der Steigung durch den Wald auf der anderen Seeseite wollte sie Schwierigkeiten machen, um den Mädchen einen Vorsprung zu sichern, oder sie hatte tatsächlich nicht die Kraft, das Tempo der Ritter zu halten. Doch es fanden sich genügend Helfer, die sich im Schieben abwechselten, so daß keine Zeit verloren wurde. „Wir fahren runter zum Hafen!“ erklärte Ottokar auf ebener Straße, ungefähr einen halben Kilometer vor der Abzweigung nach Rosenfels.
„Den steilen Berg?“ meuterte die Gefangene.
„Keine Angst, ich hab dich am Lasso!“ beruhigte sie Dampfwalze im Brustton von Kraft und Ritterlichkeit.
„Als Dompteur bist du ein Komiker!“ brummte Mücke. Stephan bog noch vor der Abzweigung in einen kaum erkennbaren Weg zwischen den Bäumen ein und kürzte damit ein paar hundert Meter ab. Dann ging das große Rutschen los, teils auf dem Hinterrad, teils auf dem Hinterteil.
„Kriminell, aber schön!“ rief Ralph abseits vom Weg.
„Damals mit dem Bob war’s viel schöner“, antwortete Andi. „Ohne Glatteis ist das eine matte Sache.“
„Lichter aus und Schnauze!“ zischte Ottokar auf halbem Weg jedem zu, der an ihm vorbeikam. „Ihr könnt auch schieben.“ Sein Vorschlag hielt die Ritter im Sattel. Lediglich die Gefangene und ihre Bewacher rutschten zu Fuß weiter. Drunten, wo der Weg flacher wurde und man das Wasser roch, stand Stephan. „Räder nach links, in Fahrtrichtung aufwärts! Falls wir
schnell wegmüssen“, wies er die Ritter ein. „Und rechts und links von der Hafeneinfahrt am Ufer verteilen!“
Dampfwalze band das Seil von den Rädern los und fesselte damit Ingrids Hände, während ihr Bruder ihr einen dicken Schal stramm über den Mund band.
„Zur Schonung deiner Dreckschleuder!“ erklärte er genüßlich . Sie wehrte sich nicht. Es wäre auch sinnlos gewesen. Hans-Jürgen hatte am Steg, in der nachtschwarzen Bucht hinter den Weiden, zwei Boote mehr ertastet als gesichtet. Sie wurden sofort in das Begrüßungsprogramm einbezogen. Andi und Ralph, das Adlerauge von Schreckenstein, ruderten aus der Bucht und nach rechts, Hans-Jürgen mit Walter im andern Boot nach links.
„Sie kommen!“ flüsterte Ottokar.
Der Nordwestwind trug ferne Stimmen und das Geplätscher schlecht eingetauchter Ruder heran. Eine müde Taschenlampe leuchtete auf und erlosch wieder. Vorn am Rand des Tobels stand Ritter neben Ritter, jeder in kompletter Streichausrüstung, das heißt mit Taschenlampe, Taschenmesser und Sprungseil, an den Füßen die Turnschuhe, die sie beim Zubettgehen im Zimmer abgestreift hatten.
Schemenhaft wurden auf dem See Boote sichtbar.
„Zwölf, zählte Emil. „Unsere acht und vier von ihnen.“
„Vorsicht, Schreckenstein!“ rief plötzlich eine helle Stimme. Ingrid war es dank Dampfwalzes Fürsorge gelungen, mit einer Aufwärtsbewegung des Kinns an der Schulter, den Schal abzustreifen.
Die Ritter nutzten ihre Warnung als Kommando. Schlagartig flammten ihre Taschenlampen auf. Auch neben den Booten mit den Mädchen und hinter ihnen tasteten sich Lichtkegel durch die Finsternis. Pummels große Bootslampe leuchtete besonders grell.
„Die haben einen ganzen Christbaum mit!“ freute sich Strehlau . Die Strandbeleuchtung über die volle Breite des Einschnitts in der Steilküste, an der es keine andere Landungsmöglichkeit gab, mußte
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