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Verderbnis

Titel: Verderbnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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    D etective Inspector Jack Caffery von der Major Crime Investigation Unit, dem Dezernat für Schwerverbrechen bei der Polizei in Bristol, verbrachte zehn Minuten im Zentrum von Frome und nahm den Tatort in Augenschein. Er ging vorbei an Absperrgittern, blitzenden Blaulichtern, Flatterband und den Zuschauern, die mit ihren Samstagnachmittagseinkäufen in kleinen Gruppen zusammenstanden und die Hälse reckten, um einen Blick auf die Kriminaltechniker mit ihren Pinseln und Plastikbeuteln zu werfen. Geraume Zeit blieb er da stehen, wo alles passiert war, zwischen Ölflecken und zurückgelassenen Einkaufswagen in der Tiefgarage, und versuchte, den Ort in sich aufzunehmen und zu entscheiden, wie beunruhigt er sein sollte. Trotz seines Mantels fror er schon, als er dann in das winzige Büro der Aufsicht hinaufging, wo Ortspolizisten und Kriminaltechniker sich auf einem kleinen Farbmonitor die Aufnahmen der Überwachungskamera anschauten. Sie standen im Halbkreis und hielten Becher mit Automatenkaffee in den Händen, ein paar noch in ihren Anzügen aus Tyvek-Fleece mit zurückgeschlagenen Kapuzen. Alle blickten auf, als Caffery eintrat, aber er schüttelte den Kopf und spreizte die Hände, um anzudeuten, dass er keine Neuigkeiten brachte. Mit verschlossenen, ernsten Gesichtern wandten sie sich wieder dem Monitor zu.
    Das Bild hatte die typische Körnigkeit eines einfachen Überwachungssystems, und die Kamera war auf die Einfahrtsrampe der Parkgarage gerichtet. Der undurchsichtige Zeitstempel wechselte von Schwarz nach Weiß und wieder zurück, und auf dem Bildschirm sah man Autos in Reih und Glied auf den markierten Parkflächen. Hinter ihnen fiel das Licht der Wintersonne hell über die Rampe. Am Heck eines der Autos – eines Toyota Yaris – stand eine Frau mit dem Rücken zur Kamera und lud ihre Einkäufe aus einem Einkaufswagen in den Kofferraum. Jack Caffery war ein Inspector mit der Erfahrung von achtzehn Jahren härtester Polizeiarbeit beim Morddezernat in einigen der brutalsten Innenstadtgebiete des Landes. Trotzdem war er machtlos gegen den scharfen Stich der Angst, den dieses Bild ihm versetzte, denn er wusste, was als Nächstes passieren würde.
    Aus den Zeugenaussagen, die die örtliche Polizei zu Protokoll genommen hatte, kannte er schon eine ganze Menge Fakten. Die Frau hieß Rose Bradley. Sie war mit einem Geistlichen der Church of England verheiratet und Ende vierzig, aber auf dem Bildschirm sah sie älter aus. Sie trug eine kurze dunkle Jacke aus einem schweren Stoff – Chenille vielleicht –, einen wadenlangen Tweedrock und flache Pumps. Sie hatte kurz und adrett geschnittene Haare. Sie war eine Frau, die so vernünftig aussah, dass sie einen Schirm mitnehmen oder ein Tuch um den Kopf binden würde, wenn es regnete, aber es war ein klarer, kalter Tag, und sie trug keine Kopfbedeckung. Rose hatte den Nachmittag über in den Kleiderboutiquen im Zentrum von Frome herumgestöbert und ihren Ausflug mit den wöchentlichen Lebensmitteleinkäufen für die Familie bei Somerfield beendet. Bevor sie angefangen hatte, die Tüten in ihren Yaris zu laden, hatte sie Autoschlüssel und Parkhausticket auf den Vordersitz des Wagens gelegt.
    Das Sonnenlicht hinter ihr flackerte, und sie hob den Kopf und sah einen Mann, der schnell die Rampe heruntergelaufen kam. Er war groß und breitschultrig und trug Jeans und eine Steppjacke. Über den Kopf hatte er eine Gummimaske gestülpt: eine Santa-Claus-Maske. Für Caffery war das gespenstischer als alles andere – diese Gummimaske, die wippte, als der Mann auf Rose zurannte. Das Grinsen veränderte sich nicht, verblasste nicht, als er näher kam.
    »Er hat drei Worte gesagt.« Der Inspector vom lokalen Revier – ein großer, streng aussehender Mann in Uniform, der, nach seinen rot geränderten Nasenlöchern zu urteilen, ebenfalls draußen in der Kälte gestanden hatte – deutete mit dem Kopf auf den Monitor. »Genau hier – als er bei ihr ankommt. Er sagt: ›Weg da, Schlampe.‹ Sie hat die Stimme nicht erkannt, und sie weiß nicht, ob er mit Akzent sprach oder nicht, weil er geschrien hat.«
    Der Mann packte Rose beim Arm und schleuderte sie weg vom Wagen. Ihr rechter Arm flog in die Höhe, eine Kette oder ein Armband zerriss, und Perlen flogen durch die Luft und funkelten im Licht. Sie prallte mit der Hüfte gegen den Kofferraum des Nachbarwagens, und ihr Oberkörper schnellte seitwärts darüber hinweg, als wäre er aus Gummi. Ihr Ellbogen bekam Kontakt mit dem

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