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Die Godin

Die Godin

Titel: Die Godin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Hueltner
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allweil, >Haar brauch ma net!<«
    Mia übertönte das Gebrüll. »Und du? Wie heißt nachert du?«
    Der Narbige schwieg betreten.
    »Des… des is der Bladern-Biwi!« lachte Spiegel boshaft. Mia kicherte. Biwi streifte sie mit einem grimmigen Blick.
    »Also, bitte sehr, gnä’ Fräulein«, fiel Kare dröhnend ein, »wenns gnä’ Fräulein erlauben, tat ich unsere noblige Gsellschaft einmal vorstellen.« Er zeigte auf einen der Kartenspieler. »Der da, des is der Indianer-Sepp, auch der >Naserte< genannt. Warum, das ist ein Geheimnis!« Der Angesprochene grinste säuerlich und hob grüßend einen Finger zur Stirn.
    »Was zahlst, Kropf, wenn ich jetzt mein Maul halt?«
    »Gar nichts!« Kare lachte dröhnend und setzte die Vorstellungsrunde fort. »Der da, mit seinem gewesenen pechschwarzen Haar, das ist der Weißkraut, auch der >Held von Ypern< geheißen, der daneben is der Moos-Michi.«
    »Der Held von was?«
    »Von Ypem«, erklärte Kropf-Kare, »der Weißkraut hat da im sechzehner Jahr die Scheißerei gekriegt und…«
    »Red ned, Rindviech!« fiel ihm der Weißhaarige zornig ins Wort.
    »Hast recht, war ein Gspaß«, beschwichtigte Kare und wandte sich wieder Mia zu, »der Franzmann hat ihn seinerzeit ein wengerl zugegast.«
    Sie verstand.
    »Und Überhaupts, Kropf, du…«, knurrte Weißkraut, noch immer verärgert, »du darfst ja grad reden, du… du Kartoffel-Caruso!«
    Kare lachte herzlich. Sein mächtiger Hals wogte.
    »Kartoffel-Caruso? Wie kommst denn auf den Namen?« Mia strich ihr durchnäßtes Haar zurück. Kare lächelte wissend und nahm einen Schluck.
    »Sagts halt!« beharrte sie lachend.
    »Also«, erklärte Windradi kennerisch, »Kartoffel-Caruso, so heißen wir ihn, weil er die Meistzeit beim Erdäpfel-Baron zu Feldmoching barabert. Und Caruso - also, Kropf, eigentlich müßt es ja umgekehrt sein! Der Itaker müßt sich nach dir nennen! Weil, so schön wie du singen kannst, packt der das nie.«
    »Äff«, bemerkte Kropf geschmeichelt. »Kare«, rief der Indianer, »jetzt bist dran! Jetzt singst uns noch eins!«
    Kropf wehrte ab. »Laßts mir meine Ruh! Ich brauch meine Stimm noch für in der Früh!«
    Die Männer gaben nicht nach. Auch Mia bettelte. Der laute Lärm hatte den Schlafenden, ein vierschrötiges Männchen mit wächserner, schmutzig verknitterter Haut und zahnlosem Mund, geweckt. »Ja! Kropf, sing: >Der Frühling auf dem Berge<«, bat er krächzend.
    »Den singst dir selber!« beschied ihm Kare.
    Der Indianer ächzte auf. »Bittschön keine Brutalitäten. Die Folter ist abgeschafft. Seit Achtzehnnochwas.« Der Alte boxte ihn wütend an. Der Indianer ließ eine Reihe verwüsteter Zähne sehen.
    Windradi beugte sich zu Kare und deutete auf das Mädchen. »Du, Kropf - die Mia, die kann auch singen! Und wie!« sagte er stolz. Kare sah erst ihn, dann das Mädchen neugierig an. Sie schwieg.
    »Is wahr?« fragte Kropf interessiert.
    »Wahr is«, bestätigte Windradi, »und wie! Drüben, im >Steyrer<, da singts hie und da. Ich habs selber gehört. Gell, Mia?«
    Sie bestätigte es bescheiden. Doch als Kropf sie drängte zu singen, zierte sie sich. Aber schließlich konnte sie seiner und der Aufforderung der anderen Männer nicht mehr widerstehn. »Aber erst langst mir noch einmal die Flaschn her!«
    »Da ist aber Wein drin! Keine Milch«, stichelte Spiegel.
    »Sag an!« gab sie schnippisch zurück und nahm einen Schluck.
    »Milch braucht die nicht noch extra«, erklärte Weißkraut fachmännisch. »Schau dirs an, die Laiberl! Ich war glatt neidisch, wenn ich eine Kuh war!« Die Männer wieherten.
    »Bist aber ein Ochs!« zischte Windradi verärgert.
    »Eine Ruh ist, ihr Krautschwänz, ihr Erdinger«, fuhr Kare energisch dazwischen. »Singen solls. Auf! Ich bin schon gespannt.«
    »Erst noch gurgeln«, sagte das Mädchen grinsend, nahm noch einen Schluck und gab die Flasche zurück. Sie wischte sich über die Lippen, warf ihren Kopf zurück und begann zu singen.
    Die Männer horchten auf.
    Ihre Stimme war dünn und weich. Doch die Art ihres Vortrags, die plötzlich in dieser schweißfeuchten, stinkenden und verrauchten Höhle, in Grobheit und faulzahniger Häßlichkeit ein sommerliches und kindseliges Paradies entstehen ließ, brachte die Männer augenblicklich zum Schweigen. Die Spieler legten die Karten bereits nach der ersten Zeile auf die Kistenbretter. Sie starrten auf das Mädchen, das unter dem braunen Kegel des Öllichts davon sang, wie sie, >einst das reinste, unschuldsvollste Kind<,

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