Die Godin
schon in allzu jungen Jahren zur körperlichen Liebe verführt worden war.
Windradi, der zu Beginn des Liedes noch triumphierend in die Runde geblickt hatte, lauschte hingerissen. Keiner sprach mehr. Der Bladern-Biwi begann hilflos zu zwinkern, und der Indianer-Sepp schniefte als erster laut auf. Als nächster bemerkte auch Spiegel die salzige Flüssigkeit, die ihm zwischen die Lippen gesickert war.
Das gefallene Mädchen sang nun davon, daß ihr Leben seit dieser ersten Liebesnacht nichts als ein >schönster Lenz< sei, und wenn sie schließlich keinem mehr gefiele - hier machte sie eine wehmütige Pause -, sie gern begraben sein wolle…
Nachdem sie geendet hatte, heulte der wüste Biwi wie ein Schloßhund. Tränen rieselten über sein narbiges, von Melancholie und Seligkeit verzogenes Gesicht. Auch der käsige Weißkraut und der grobe Moos-Michi schluchzten, fluchten schamlos und verdeckten ihr Gesicht, damit niemand in ihre glücklich glänzenden Augen sehen konnte. Windradi schneuzte kräftig in die Hand. Kropf nickte anerkennend. Seine Wangen glänzten. Auch er kämpfte gegen die Rührung. »Singen kannst nicht«, stammelte er rauh, »aber zaubern, das kannst.«
Das Mädchen spielte die Schuldlose und hob in koketter Verschämtheit ihre Schultern, als hätte sie keine Ahnung, weshalb alles um sie herum zerflossen war. Lächelnd streifte ihr Blick die Runde. Ihre und Kajetans Blicke trafen sich nur für den Bruchteil einer Sekunde. Ruhig, als wären sie bereits seit Kindertagen miteinander vertraut, tauschten sie sich aus. Erst viel später, als sich die allgemeine Erschütterung wieder gelegt hatte, das Mädchen sich längst wieder Windradl und den von diesem heftig abgewehrten, ungeschlachten Komplimenten der anderen widmete, fühlte Kajetan verwundert, daß ein seltsames Gefühl von ihm Besitz ergriffen hatte. »Bei euch is zünftig!«
Die Stimme kam von der Tür. Niemand hatte bemerkt, daß zwei Männer und eine Frau die Baracke betreten hatten. Kajetan hatte den Eindruck, daß die Stimmung augenblicklich eisig geworden war.
»Gehts weiter! Was stierts uns denn aso an? Tuts was zum Saufen her!«
»Der Bierkugel! Da schau her!« Der Dotschn-Damerl grüßte gequält. »Und der Messer - seids heut selber gekommen? Mit Anhang heut gar! Des is eine Ehr!«
Der große, breitgebaute Mann, den Damerl mit »Messer« angesprochen hatte, grinste gemein und wies auf seine Begleiterin. »Weißt es doch, Damerl: Schnallen bringen Glück.« Er setzte sich. »Und jetzt tuts euren Wein her - öha, was istn mit euch?«
Bladern-Biwi, Moos-Michi und der Indianer hatten sich erhoben.
»Nix, Messer… aber für uns wirds Zeit«, sagte Biwi.
»Die Bauern werden bald da sein…«, ergänzte der Indianer entschuldigend. Sie grüßten Kare nickend und verließen die Baracke.
Messer grinste. »Dann schleichts euch meinetwegen, Bagasch, ungemütliche!« Er griff zu der Flasche, die Kropf-Kare ihm mit unbehaglicher Miene gereicht hatte, und trank glucksend. Mias Augen verengten sich. Windradi sah unschlüssig zu Boden. Messers Hure war bereits betrunken. Ihr Oberkörper wiegte unruhig hin und her. Ihr Blick flackerte nervös.
Messer übergab Bierkugel die Flasche. Dieser lehnte ab.
»Ekelhaft. Ein Mensch, der keinen Durst hat«, klagte Messer und setzte die Flasche erneut an.
Die Hure stieß ihm den Finger in die Seite.
»Du… Messer…« Ihre Stimme klang weinerlich.
Der Zuhälter setzte die Flasche ab. »Laß die Penzerei. Sonst schmier ich dir eine.«
Sie zuckte gedemütigt zusammen. Der Zuhälter nahm einen tiefen Schluck.
»Messer… die da… Schau doch…«, quengelte die Hure wieder.
Messer drehte sich unwillig in die Richtung ihrer Augen und entdeckte Mia. »Da schau her.« Er stand auf.
Kropf war alarmiert: »Gib eine Ruh, Messer.« Auch Windradl witterte Gefahr. Er fuhr hoch und stellte sich dem Zuhälter bebend entgegen. »Was möchst…?« Er beendete den Satz nicht. Messer schlug wortlos zu. Windradis Haare flogen. Er stolperte über eine Kiste und blieb benommen liegen. Kropf-Kares Kinnlade mahlte. Die anderen glotzten.
Kajetan verstand nichts. Was geschieht hier? Haben alle Angst? Drei, vier ausgewachsene Männer gegen diese beiden und eine besoffene Hure?
Mia schrie auf. Messer hatte in ihre Haare gegriffen und sie zu sich gezogen.
»Vom Bahnhof«, kreischte die Hure, »vom Bahnhof hat eine in der Altstadt nichts zu suchen.«
»Genauso ist es.« Messer nickte gelassen. Seine fleischige Pranke
Weitere Kostenlose Bücher