Die Godin
blödes Heimweh gekommen. Endlich, der Krieg war zu Ende, habe er sich mit Hilfe deutscher Emigranten an der mexikanischen Ostküste einen falschen Paß besorgen und ins Deutsche Reich zurückkehren können. Nach einer mehrjährigen Odyssee, bei der er sich mit Gelegenheitsarbeiten durchgeschlagen, mit Berbern und Walzgesellen genächtigt und sich dem durch die Republik ziehenden Troß der Saisonarbeiter angeschlossen habe, sei er auf den riesigen Kartoffeläckern im Norden von München hängengeblieben, habe dort Arbeit gefunden und sei so schließlich auf den Viktualienmarkt gekommen.
»So«, sagte Kare erschöpft. »Jetzt kennst dich aus.« Kajetan suchte nach Worten.
»Daß… also, daß du nicht in der Weltgeschicht herumgekommen bist, kannst nicht grad sagen.«
»Es tuts so«, sagte Kare bescheiden. »Und du? Hast keine Stell dabei gefunden, wo ich dich schon einmal gesehen haben könnt?«
Mehr als eine Stunde war bereits vergangen. Es stank nach Urin. Das Oberlicht des vergitterten Fensters stand offen. Kajetan fror; sein Mantel war klamm.
Ein junger Polizist ging den Flur entlang. Kajetan sprang auf. »Herr Wachtmeister!« rief er.
Der Beamte stutzte und trat einen Schritt zurück.
»Herr Wachtmeister, wann können wir denn endlich unsere Aussag machen? Es ist saukalt da herinnen.«
Der Angesprochene sah Kajetan erstaunt an. »Dir wirds schon noch warm werden«, knurrte er mürrisch.
»Halt bloß dein Maul«, warnte Kropf-Kare mit gepreßter Stimme.
Kajetan kümmerte sich nicht um ihn. »Unsere Personalien habts doch schon aufgenommen…?«
Der Polizist glotzte ihn an. Er fühlte eine eigenartige und - wie er fand - unangebrachte Kollegialität in Kajetans Stimme. Sie machte ihn ärgerlich.
»Halts Maul, du Depp, hab ich gesagt!« wiederholte Kare verzweifelt.
Der Beamte machte eine ungläubige Miene. »Ah - seh ich das richtig«, fragte er mit gespielter Neugier, »daß ihm was nicht paßt?«
Kajetan bemerkte nichts. »So lang kanns doch nicht dauern, die Personalien zu überprüfen. Jetzt sitzen wir schon über eine Stund da herinn. Es wird doch wegen der Rauferei keinen Haftbefehl geben, also…«
Also dürft ihr uns auch nicht länger festhalten, wollte Kajetan sagen. Der Beamte unterbrach ihn.
»Wenn du es gar so pressant hast, dann komm einmal mit.« Er öffnete die Tür und winkte Kajetan heraus. Als sie durch den Flur gingen, schlug der Wachtmeister das erste Mal zu.
»Heü«
Bevor Kajetan weitersprechen konnte, hatte der Polizist schon eine Tür am Ende des Ganges geöffnet, ihn am Arm gepackt und in die Mitte des Raums geschleudert.
»Dem Herrn da gfallts nicht bei uns!«
Ein älterer Gendarm drehte sich auf seinem Stuhl und betrachtete Kajetan mit müder Neugierde.
»Ah. Da schau her?« sagte er gemütlich.
»Des ist übrigens der, wo den Messer und den Bierkugel umgehauen hat.«
Der Beamte hob die Augenbrauen.
»Ah. Da schau her«, wiederholte der Schutzmann. »Und jetzt gfallts ihm ned bei uns?«
»Mir kommts akkurat so vor«, bestätigte der Jüngere.
»Und warum gfallts ihm nachert ned?«
»Es dauert ihm alles zu lang, sagt er.«
Obwohl das Gesicht des Sitzenden nicht verriet, was in dessen Kopf vorging, war Kajetan plötzlich alarmiert. Er versuchte zu erklären.
»Wegen einer Rauferei gibts doch keinen Haftbefehl, und da…«
Der Gendarm sah ihn verwundert an. »Ah so?« unterbrach er. Kajetan nickte eifrig.
»… und da müßts doch nach Klärung…«
»Halt deine Fotzn!«
Kajetan schüttelte ungläubig den Kopf. »… nach Klärung des Sachverhalts die Freilassung anord…«
Der Polizist, der ihn in den Wachraum geführt hatte, unterbrach ihn. »Ich glaub, dem ist ein bisserl langweilig bei uns herinn. Er möchte ein bissei eine Unterhaltung, was meinst, Maxi?«
»Das glaub ich auch. Aber, Schorsch - wenn ichs recht seh, hat er ja gar nicht unrecht…« Kajetan nickte blöde.
»…das Dumme ist bloß, und so stehts in der Vorschrift, daß dem Haftrichter bloß einer vorgeführt werden kann, der gehen und stehn kann.«
Der Faustschlag traf genau die Stelle, auf die auch Bierkugel gezielt hatte. Kajetan stöhnte auf und ging in die Knie. Entsetzt sah er hoch.
»Wir haben die Rauferei nicht angefangen!« keuchte er. »Für einen Haftbefehl gibts keinen Gru…«
»Da hat er recht. Für einen Haftbefehl langts nicht. Für ein paar Fotzn aber durchaus!«
Nach der ersten Ohrfeige hatte Kajetan schützend die Hände vor sein Gesicht gehalten.
»Seids
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