Die Götter 2. Das magische Zeichen
bestimmte Fragen zu bekommen, aber er wollte sich deswegen nicht ins Unglück stürzen – zumal der Dämon eher wahnsinnig als allwissend wirkte. Der Junge umrundete den Krater, um auf Abstand zu der widerlichen Kreatur zu gehen. Vergeblich. Usul wich ihm nicht von der Seite, sondern kam sogar noch etwas näher.
» Stell endlich deine Frage! « , schrie Usul plötzlich außer sich vor Wut.
Der Ausbruch ließ Najel erstarren. Vor seinen Füßen klaffte der Krater und drohte ihn jeden Moment zu verschlingen. Ab und zu wehte ein widerlicher Verwesungsgeruch von unten herauf – derselbe Geruch, den Usul verströmte. Wie sollte das alles bloß enden?
Najel gab sich einen Ruck. Da er Usul sowieso nicht entkommen konnte, stellte er die eine Frage, die ihm seit Tagen keine Ruhe ließ.
» Wo ist mein Vater? «
Die Kreatur brach in schauriges Gelächter aus und leckte sich die Lippen. Speichel triefte ihr auf Kinn und Brust und ließ die Schuppen glänzen, die unter den Hautfetzen zum Vorschein kamen.
» Im Jal! « , röhrte Usul schließlich. » Wo denn sonst? So, jetzt bin ich dran! «
Ungläubig starrte Najel ihn an. Im Jal? Wie war das möglich? Den Ort gab es doch gar nicht mehr! Und wie sollte Ke’b’ree dort hingelangt sein? Hatte Usul vielleicht doch den Verstand verloren?
» Jetzt bin ich an der Reihe! « , wiederholte der Dämon. » Hör mir gut zu: Einer deiner Gefährten wird einen anderen von euch töten! «
Najel nickte zerstreut. Er war noch zu benommen von der ersten Antwort, um Usuls Vorhersage richtig zur Kenntnis zu nehmen. Der Dämon ließ ihm jedoch keine Zeit, einen klaren Gedanken zu fassen.
» Los, noch eine Frage! « , schnaubte er. » Beeil dich, sie kommen! «
Sie kommen. Diese Worte hatte der Junge schon einmal gehört. Angestrengt spähte er in die Finsternis. Waren die Guori dabei, den Vulkan zu stürmen? Abermals sah er sich hektisch nach einer Fluchtmöglichkeit um, aber es gab keine … Wenn er schon sterben musste, wollte er wenigstens noch eine Frage beantwortet haben.
» Wer ist unser Feind? « , brach es aus Najel hervor.
Usul antwortete prompt. Wieder war der Junge wie vor den Kopf gestoßen. Auch das war vollkommen unmöglich … Die Vorstellung war zu schrecklich, um wahr zu sein. In seiner Verzweiflung bemerkte Najel nicht, wie Usul an seine Seite glitt. Nun standen beide nebeneinander am Rand des Kraters. Nach einem flüchtigen Blick auf das Gebüsch hinter ihnen beugte er sich zu Najel und verriet ihm sein letztes Geheimnis.
» Einer von euch wird eine Entscheidung treffen müssen « , kreischte die Kreatur. » Entscheidet er sich falsch, ist die Welt der Sterblichen dem Untergang geweiht! «
Entsetzt riss Najel die Augen auf. Im nächsten Moment brachen mehrere Gestalten aus den Büschen hervor. Najel glaubte zu träumen: Es waren Guederic und Maara, gefolgt von den anderen!
Beim Anblick der Erben schlug Usul Najel seine Krallen in den Arm.
Die Schläfen der wallattischen Prinzessin pochten vor Anstrengung. Noch nie zuvor war sie so schnell gerannt. Gleich nachdem Lorilis die Guori mit einem riesigen Feuerball in die Flucht geschlagen hatte, waren alle Erben bis auf Zejabel und Lorilis aufgebrochen, um nach Najel zu suchen. Die Zü blieb zurück, um das Schiff zu bewachen und die junge Magierin zu beschützen, die völlig entkräftet war. Die anderen stürmten den Hang des Vulkans hoch. Doch obwohl Maara ihren Bruder um jeden Preis retten wollte, konnte sie kaum mit Guederic mithalten. Ihn schien eine noch viel mächtigere Kraft anzutreiben als sie selbst. Seine Augen waren finster wie die Nacht.
So erreichte Guederic den Gipfel als Erster, dicht gefolgt von Maara. Ihr Herz machte vor Freude einen Sprung, als sie Najel erblickte, obwohl der Dämon direkt neben ihm stand. Sie brüllte vor Wut, als die Kreatur es wagte, den Erben der B’ree mit seinen dreckigen Händen anzufassen. Zur allgemeinen Verblüffung versuchte Usul aber nicht, seinen Gefangenen fortzuziehen. Im Gegenteil, er schubste ihn weg, so dass Najel seiner Schwester vor die Füße stolperte. Ein grausames Lächeln erschien auf seinem entstellten Gesicht, dann machte Usul einen Satz und verschwand.
Der Dämon war in den Krater des erloschenen Vulkans gesprungen. Maara war das völlig gleich, sie warf sich auf ihren Bruder und küsste und umarmte ihn. Doch Najel schien ihre Freude nicht zu teilen. Maara hielt inne, schaute ihm tief in die Augen und fragte, was los sei.
» Ich weiß jetzt, wer
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