Die Götter 2. Das magische Zeichen
Maara viel an Lyn’a’mins Grab geweint. Sie wollte nicht auch noch ihren Vater verlieren. Nicht jetzt schon.
Zejabel warf ihrem Sohn einen letzten verzweifelten Blick zu, wischte sich über die Augen und wandte sich endlich den anderen zu, die schweigend dastanden. Sie sah Damián an, der immer noch auf eine Antwort wartete.
» Du hast gehört, was ich gesagt habe « , sagte Zejabel ernst. » Mein Mann, deine Eltern und all eure Angehörigen sind tot. Es tut mir leid. «
Bei diesen letzten Worten begann Zejabels Lippe wieder zu zittern, und sie stand kurz davor, abermals in Tränen auszubrechen. Sie wandte sich ab und rang um Fassung, während die letzte Generation der Erben von Ji verzweifelt versuchte, die Schreckensnachricht zu verwinden.
Maara hatte das Gefühl, bei wachem Verstand einen Alptraum zu durchleben. In ihr zerbrach etwas. Sie war wie erstarrt und wurde zu einer reinen Beobachterin, als ginge sie das alles nichts an.
Damián schien nicht zu wissen, wie ihm geschah: Er hatte eine tiefe Furche auf der Stirn, als weigerte auch er sich, die Bedeutung von Zejabels Worten zu verstehen. Guederics Augen waren schwarze Höhlen, sein Blick finsterer denn je. Lorilis hatte sich in Souannes Arme geflüchtet und weinte mit bebenden Schultern, während die Graue Legionärin dem Mädchen mechanisch über den Kopf strich. Zu mehr schien sie nicht in der Lage zu sein. Josion wiederum sah seine Mutter an, als wäre sie eine Fremde, als wäre ihre Nachricht für andere Ohren bestimmt oder als hätte sie sich einen schlechten Scherz erlaubt und würde ihre Worte jeden Moment lachend zurücknehmen.
Plötzlich ergriff jemand Maaras Hand. Vielleicht hielt die Person ihre Hand aber auch schon länger, ohne dass sie es gemerkt hatte. Verwirrt blickte sie zur Seite und sah in Najels bleiches Gesicht. Ihr Bruder wirkte noch verlorener, als sie sich fühlte. Seine tieftraurige Miene erinnerte sie an seine Kindheit. Auch damals hatte sie den Anblick des unglücklichen Jungen nicht ertragen können, denn der Tod ihrer Mutter hatte ihr selbst viel zu sehr zu schaffen gemacht. Diese Erinnerung holte sie schlagartig zurück in die Wirklichkeit. Maara ballte all die Trauer, die in ihr aufstieg, zu einer harten Kugel zusammen und verwandelte sie in Wut, so wie sie es immer getan hatte. Sie riss sich von Najel los und schüttelte eine Faust vor Zejabels Gesicht.
» Lügnerin! « , rief sie zornig. » Seit gestern Abend bist du hier und hast kein Wort gesagt! Ich glaube, du hast dir diese Geschichte ausgedacht, um uns vor deinen Karren zu spannen! «
Zejabel starrte sie herausfordernd an, was der Kriegerprinzessin nur recht war. Zumindest würden so keine Tränen mehr fließen.
» Niemals würde ich eine so grausame Lüge verbreiten « , sagte Zejabel. » Man hat mich meine ganze Kindheit über belogen, und ich werde mich hüten, dasselbe zu tun. «
» Und wir sollen dir einfach so glauben? « , zischte Maara. » Bitte, sparen wir uns doch das Gerede! Was willst du von uns? Was ist deine Absicht? Stehen wir in diesem Kampf überhaupt auf derselben Seite? «
Die einstige Kahati senkte den Blick, und Maara glaubte schon, gewonnen zu haben, doch Zejabel machte einen Satz auf sie zu und drückte sie brutal gegen die Wand. In diesem Moment gab es für die Kriegerprinzessin nur noch zwei Dinge auf der Welt: Zejabels irrer Blick, irgendwo zwischen Wut und Verzweiflung, und die kalte Stahlklinge, die die Zü ihr gegen den Hals drückte.
» Dein Vater war mein Freund! « , schrie Zejabel außer sich vor Zorn. » Ich lasse nicht zu, dass irgendwer das Gegenteil behauptet. Schon gar nicht du! «
Mindestens ebenso beeindruckt wie verärgert, spannte Maara die Muskeln an, um zum Gegenangriff überzugehen. Zejabel spürte ihren Widerstand und drückte die Klinge noch fester an ihren Hals, vermutlich ein Reflex, den sie während ihrer Ausbildung zu Zuïas Mörderin erworben hatte. Aus dem Augenwinkel sah Maara, wie Najel seinen Stock in Kampfbereitschaft brachte. Die Lage war kurz davor zu eskalieren.
» Sie lügt nicht « , sagte Josion und brachte damit alle zum Erstarren.
Sämtliche Blicke wandten sich ihm zu, nur Zejabel ließ ihre Gegnerin nicht aus den Augen. Josions Tonfall war ernst, und seine Stimme klang weder unsicher noch wütend. Voller Entsetzen begriff Maara, dass er bereits begonnen hatte, um seinen Vater zu trauern.
» Meine Mutter lügt nie « , wiederholte er. » Was sie sagt, kann nur wahr sein. «
Guederic ballte
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