Die Götter 2. Das magische Zeichen
, fragte Souanne verzweifelt. » Habe ich den Verstand verloren? «
» Beschreib mir erst mal, was du während des Kampfs empfunden hast. «
Sie riss die Augen auf, zögerte eine ganze Weile, kam der Bitte aber schließlich nach. Mit schamrotem Gesicht und niedergeschlagenem Blick gestand sie, dass es sie auf abscheuliche Art berauscht habe, ihre Feinde zu töten. Im Moment ihres Todes sei ihr eine Energiewelle durch den Körper gefahren, und seither sehne sie sich nur danach, dieses Gefühl noch einmal zu spüren.
» Ich weiß, dass es abscheulich ist « , murmelte sie. » Und da ich immer noch zwischen Gut und Böse unterscheiden kann, nehme ich an, dass das Problem nicht von mir selbst kommt, wenigstens nicht nur. Ich habe Angst, von einem Dämon besessen zu sein. So wie Lorilis’ Vater damals. «
» Nein. Was mit uns passiert, ist nicht dasselbe. Ich höre keine Stimme in meinem Kopf. Und du auch nicht, nehme ich an. «
Souanne nickte. Sie wirkte bereits etwas gefasster. Guederic ahnte, woran das lag: Er hatte zugegeben, dasselbe wie sie durchzumachen. Guederic musste zugeben, dass auch er erleichtert war. Zumindest waren sie nicht völlig allein mit ihren Ängsten.
» Aber was kann es dann sein? « , beharrte Souanne. » Hat uns jemand mit einem Fluch belegt? Sind wir im Bann schwarzer Magie? «
» Ich weiß es nicht « , gestand Guederic. » Ich weiß nur, dass der Drang nach ein paar Tagen nachlässt. Und man kann ihm widerstehen, wenn man wirklich will. Das finde ich irgendwie beruhigend. Wenn man den Drang beherrschen kann, kann er nicht allzu gefährlich sein. Ich hoffe einfach, dass er irgendwann von selbst verschwindet. «
Souanne sah ihn ungläubig an, ihr Gesicht war plötzlich wieder verschlossen. Guederic glaubte seinen Worten im Grunde selbst nicht. Der Drang, den Rausch noch einmal zu spüren, war unglaublich mächtig, und auch wenn es Guederic beim letzten Kampf gelungen war, ihn zu unterdrücken, war er alles andere als sicher, ob er auch beim nächsten Mal die Oberhand behalten würde.
» Wir sollten aufeinander aufpassen « , sagte er unvermittelt. » Wir müssen einander beistehen. Auf keinen Fall dürfen wir noch einmal einen Menschen töten. Zu zweit wird es einfacher sein, dem Drang zu widerstehen. «
Souanne nickte mit einem gezwungenen Lächeln und beendete das Gespräch, indem sie wortlos davonging. Da begriff Guederic, dass er sich geirrt hatte: Souanne war ihr Blutrausch zwar zuwider, aber sie hatte sich noch nicht damit abgefunden, ein für alle Mal darauf verzichten zu müssen.
Sie waren übereingekommen, kein Feuer zu entzünden, um nicht unnötig auf sich aufmerksam zu machen, aber sobald die Sonne untergegangen war, wurde es bitterkalt, und so beschloss Damián, seine Grundsätze über Bord zu werfen. Die verfallenen Gebäude gaben genug Brennstoff her, und so klaubten die Erben rasch einen Haufen trockenes Holz zusammen, das sie im Hof zu einem Stapel schichteten. Kurz darauf versammelten sich alle um die tanzenden Flammen.
Das Feuer war eine Wohltat. Obwohl sie von den Strapazen der Reise todmüde waren, stand niemandem der Sinn danach, schlafen zu gehen. Sie waren heilfroh, dass die Flammen Dunkelheit und Einsamkeit verscheuchten. Ohne ihre Wärme und ihr Licht wären sie alle wohl bis zum Morgen in Schwermut versunken. Lorilis hoffte sogar, dass sie am Feuer übernachten würden, denn sie hatte keine Lust, in dem düsteren Getreidespeicher zu schlafen. Er mochte zwar ein Dach über dem Kopf bieten, aber der Modergeruch und die beklemmende Atmosphäre erinnerten sie an eine Gruft – und das war wirklich das Letzte, woran sie heute Abend denken wollte.
Die stiebenden Funken und das Knacken des Holzes hatten eine beruhigende Wirkung. Die Erben ließen sich auf ihren Decken und Mänteln nieder, und endlich fiel etwas Anspannung von ihnen ab. Sie unterhielten sich über Banalitäten, überlegten, wie alt der Bauernhof sein mochte, und betrachteten den Mond, dessen helles Licht für den kommenden Tag einen klaren Himmel versprach. Lorilis beteiligte sich nicht an den Gesprächen, sondern lauschte ganz einfach den Stimmen der anderen. Langsam breitete sich ein wohliges Gefühl in ihr aus, und die Lider wurden ihr schwer. Vielleicht sollte sie sich hinlegen und ein Weilchen die Augen schließen … Doch als Maara eine Bemerkung zu ihren Eltern machte, war sie mit einem Schlag hellwach.
» Vielleicht sitzen mein Vater und die anderen in diesem Moment ebenfalls um ein
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