Die Götter 2. Das magische Zeichen
tatsächlich an der Zeit, eine Rast einzulegen.
Bei der nächsten Gelegenheit führte Damián sie vom Weg hinunter, und nach wenigen Dezillen stießen sie auf einen verlassenen Bauernhof. Die Gebäude waren völlig verfallen, nur der alte Getreidespeicher war noch in einem passablen Zustand. Sie würden also ein Dach über dem Kopf haben – ein unverhofftes Glück. Maara und Zejabel vergewisserten sich, dass die Gebäude leer waren, bevor die Erben darangingen, ihr Nachtlager aufzuschlagen.
Am meisten Zeit nahm die Pflege der Pferde in Anspruch. Guederic war das nur recht, denn er hatte überhaupt keine Lust, sich schon jetzt in der staubigen Scheune zu verkriechen, in der es vermutlich vor Ratten nur so wimmelte. Er bot sogar an, sich um Damiáns Pferd zu kümmern, was dieser dankend annahm, weil er auf das Scheunendach klettern wollte, um es auf Einsturzgefahr zu überprüfen. Guederic nahm Bürste und Striegel, zog die beiden Pferde ein Stück von den anderen fort und machte sich an die Arbeit.
Mittlerweile war die Sonne fast hinter dem Horizont verschwunden. Guederic wollte eine Weile allein sein und in Ruhe nachdenken, auch wenn er dabei immer mehr in Schwermut versank. Doch zweifellos war es besser, seinen Kummer zuzulassen, als ihn zu unterdrücken. Seine Eltern waren tot. Eryne war tot. Es war zu schrecklich, um wahr zu sein, aber er musste der Wahrheit ins Gesicht sehen: Niemand erwartete sie auf Ji oder anderswo. Wenn Zejabel davon überzeugt war, dass seine Eltern tot waren, dann musste es stimmen, schließlich war sie Zeugin des Unglücks gewesen. Guederic würde um seine Eltern trauern und dann Abschied von ihnen nehmen.
Dazu brauchte er jedoch etwas Zeit für sich, und so war er alles andere als begeistert, als Souanne auf ihn zukam.
Die Graue Legionärin hatte sich zunächst um ihr eigenes Pferd gekümmert, ebenfalls ein ganzes Stück von den anderen entfernt, aber nun war sie schon seit einigen Dezillen fertig und warf Guederic immer wieder verstohlene Blicke zu. Als sie zu ihm herüberkam, setzte er eine abweisende Miene auf. Er wusste genau, worüber sie sprechen wollte, und ihm stand nun wirklich nicht der Sinn nach einem solchen Gespräch.
» Kann ich … Kann ich dir helfen? « , fragte Souanne leise.
Sie hielt immer noch ihren Striegel in der Hand. Guederic beachtete sie nicht, in der Hoffnung, dass sie einfach wieder gehen würde. Doch Souanne fasste sein Schweigen als Zustimmung auf: Sie trat auf die andere Seite von Damiáns Pferd und begann, das Tier zu striegeln. Eine Weile arbeiteten beide stumm vor sich hin.
» Wegen letzter Nacht … « , sagte Souanne schließlich. » Ich habe mich noch gar nicht für deine Hilfe bedankt. Vielleicht hast du mir das Leben gerettet. Also: Danke. «
Guederic suchte krampfhaft nach einer passenden Antwort. Am liebsten hätte er Souanne mit den Worten fortgeschickt, dass er allein sein wollte, aber dann fiel ihm ein, wie er das missliche Gespräch abwenden konnte.
» Gern geschehen « , sagte er. » Wir haben unser Bestes gegeben. Wir haben uns gegenseitig das Leben gerettet. «
» Wir hatten viel Glück « , pflichtete ihm Souanne bei.
Sie schwieg einen Moment und schluckte, bevor sie weitersprach: » Weißt du noch, was du während des Kampfs zu mir gesagt hast? «
» Nein, keine Ahnung « , log Guederic. » Im Kampfgetümmel kann ich alles Mögliche gerufen haben. Du hast mich vielleicht nicht mal richtig verstanden. «
» Das glaube ich kaum « , entgegnete Souanne steif. » Du weißt genau, wovon ich spreche. «
Guederic riss der Geduldsfaden. Zornig warf er den Striegel zu Boden, marschierte um das Pferd herum und baute sich vor Souanne auf. Seine Wut schmolz jedoch dahin, als er die Erschöpfung und Angst in ihren Augen sah. Sie war nicht gekommen, um ihn zu ärgern, sondern weil sie Halt suchte und wissen wollte, was mit ihr geschah. Guederic erinnerte sich noch gut daran, wie verloren er sich selbst vor einigen Tagen gefühlt hatte.
» Ich … Äh, ich … « , stammelte er.
Guederic scharrte nervös mit den Füßen, bevor er seinen ganzen Mut zusammennahm. Er war nicht sicher, ob dies die richtige Entscheidung war.
» Du darfst niemandem etwas davon sagen, verstanden? Ich habe keine Lust, dass die anderen mich ansehen wie ein … wie ein … «
» Wie ein Ungeheuer? « , beendete Souanne den Satz.
Guederic nickte und bereute bereits, überhaupt davon angefangen zu haben. Doch jetzt war es zu spät.
» Was geschieht mit mir? «
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