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Die Götter 2. Das magische Zeichen

Die Götter 2. Das magische Zeichen

Titel: Die Götter 2. Das magische Zeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Grimbert
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Male gescheitert war, beschloss sie, es auf andere Weise zu versuchen: Sie richtete ihre Aufmerksamkeit auf eine einzige Sache, statt krampfhaft zu versuchen, ihre gesamte Umgebung auszublenden. Naheliegenderweise fiel ihre Wahl auf das Feuer: Sie hörte das beruhigende, fast melodische Knacken des Holzes, spürte die Hitze der Flammen auf der Haut und roch den Rauch und die Asche. Also konnte sie nur noch der Geschmackssinn von dem Feuer ablenken, was aber auszuschließen war. Mit dieser Technik kam Lorilis auf Anhieb sehr viel weiter.
    Sie war überrascht, wie angenehm der Zustand war. Lorilis nahm nichts mehr wahr außer dem Knistern der Flammen und der betäubenden Wärme auf ihrer Haut und fühlte sich auf wohlige Art geborgen. Es war eine völlig neue Erfahrung, und ihr gingen eine Menge Fragen durch den Kopf: Was genau geschah mit ihr? Mit welchen Worten ließ sich dieser merkwürdige Zustand zwischen Wachen und Schlaf beschreiben? Würde sie sich fortan immer wieder in ihn versetzen können? Und warum hatte sie noch nie davon gehört? Wussten die Menschen überhaupt, dass es so etwas gab? Wenn ja, dann vermutlich nur einige wenige Eingeweihte. Wenn sie es recht bedachte, war es ihr erstaunlich leichtgefallen, diesen Zustand zu erreichen. Zejabel hatte Recht: Lorilis hatte eine Gabe. Und sie musste unbedingt mehr darüber herausfinden.
    In diesem Moment fiel ihr wieder ein, warum sie dieses Experiment machte. Lorilis war schon viel weiter gekommen, als sie gedacht hatte, und die unerwartete Aussicht auf Erfolg versetzte sie in einen Rausch. Konnte sie in diesem Zustand tatsächlich Verbindung zu ihren Eltern aufnehmen? Fieberhaft konzentrierte sie sich noch etwas mehr, auch wenn sie Angst vor dem hatte, was sie entdecken würde. Bilder von Niss und Cael zogen im Takt ihres immer schneller schlagenden Herzens vor ihren Augen vorbei, und Lorilis versank in einem Strudel aus Erinnerungen an ein glückliches Leben. Bald verlor sie die Kontrolle über den Bilderstrom. Doch obwohl die vielen, längst vergessen geglaubten Augenblicke schwierig zu steuern waren, konnte Lorilis nach einer Weile eine gewisse Reihenfolge ausmachen. Mit vor Anspannung zusammengepressten Kiefern wartete sie darauf, die letzten Momente im Leben ihrer Eltern zu sehen … Schließlich war es so weit.
    Mit einem Mal verlangsamte sich ihre Vision spürbar, als würde die Magie von selbst wissen, wonach Lorilis suchte. Das Mädchen wurde in eine grauenvolle Szene hineingezogen: Für den Bruchteil einer Dezille befand sie sich auf dem Schiff, direkt hinter ihren Eltern. Es war Nacht, und die Hitze war unerträglich. Zwei Generationen von Erben, insgesamt dreizehn Menschen, hatten auf dem lichterloh brennenden Deck einen Kreis gebildet. Sie hielten sich an den Händen, die meisten hatten die Augen geschlossen, und manchen liefen stumme Tränen über die Wangen. Lorilis wollte sie berühren, ihnen etwas zurufen, aber sie konnte sich nicht rühren. Sie war nur eine hilflose Beobachterin. Von panischem Schrecken erfüllt stieß sie das Bild von sich. Sie wollte auf keinen Fall mit ansehen, wie ihre Eltern und Großeltern bei lebendigem Leib verbrannten. Abrupt zog sie sich aus der Szene zurück. Lorilis wollte nur noch fort von der mörderischen Feuersbrunst.
    Doch als sie die Augen öffnete, blickte sie immer noch in ein züngelndes Flammenmeer.
    Von allen Gefährten glaubte Najel vermutlich am meisten an Lorilis’ Erfolg, schließlich hatte er als Einziger ihre Fähigkeiten schon bei dem Kampf in dem Schuppen in Benelia beobachtet. Er war überzeugt, dass Lorilis über eine erstaunliche Gabe verfügte. Seit das Mädchen mit konzentriertem Blick in die Flammen starrte, wurde er immer aufgeregter. Trotzdem bemühte er sich krampfhaft, stillzusitzen, denn anfangs schien Lorilis jedes Geräusch und jede Bewegung zu stören und ihr die Aufgabe zu erschweren. Doch seit einigen Dezillen war ihr Gesicht vollkommen ausdruckslos und entspannt, so dass die anderen schon fürchteten, sie sei eingeschlafen.
    Doch während sie sich noch darüber austauschten, ob sie das Mädchen wecken sollten, verkrampfte sich Lorilis. Erst runzelte sie nur die Stirn, doch gleich darauf stand ihr nacktes Grauen ins Gesicht geschrieben. Zejabel sprang auf, um sie aus ihrer Trance zu wecken, doch in diesem Moment explodierte das Lagerfeuer. Es schwoll auf seine fünf- bis sechsfache Größe an, und die Druckwelle schleuderte die Erben nach hinten, was ihnen vermutlich das Leben

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