Die Götter - Das Schicksal von Ji: Die Götter 4 - Roman (German Edition)
nicht. Sein Schweigen bestätigte Najels schlimmste Befürchtungen.
» Du kannst nicht hierbleiben!«, rief er. » Selbst dann nicht, wenn du sterben willst. Du wirst nicht mit dem Jal verschwinden. Du wirst ein Sandkorn im Getriebe des Universums sein– so wie Saat es war. Du wirst die Welt in ein neues Chaos stürzen!«
» Dann musst du mich eben töten«, sagte Guederic leise.
Der Sturm, der durch das Tal fegte, schien plötzlich in Najels Kopf zu toben. Jetzt war es also so weit! Usuls Prophezeiung würde sich erfüllen. Als Sombre mit Saats Schwert in der Hand auf ihn zutrat und ihm den Griff hinhielt, wusste er keinen Rat mehr. Von seiner Entscheidung hing das Schicksal der Welt ab. Sollte er Guederic seinen Wunsch erfüllen? Sollte er zum Mörder eines Freundes werden oder ihn allein hier zurücklassen– in der Hoffnung, dass die Welt den erneuten Bruch der natürlichen Ordnung überstehen würde?
Auf der anderen Seite der Pforte, hinter dem leicht verschwommenen Bild der Höhle, erreichte die ältere Generation Erben atemlos die Pforte, um sich ihrerseits in Sicherheit zu bringen. Najel hörte die Stimme seines Vaters und hätte ihn am liebsten gerufen und um Rat gebeten. Doch die älteren Erben sahen nicht, was sich jenseits der Pforte abspielte. Dieser letzten Prüfung würde sich Najel allein stellen müssen. Sonst würde das Schicksal doch noch einen Weg finden, alles in einer Tragödie enden zu lassen.
Mit ausgetrockneter Kehle packte er die Waffe, die der einstige Dämon ihm hinhielt. Guederic– oder Sombre– schien sich seiner Entscheidung sicher zu sein. Er kniete vor der Pforte nieder, beugte den Kopf und bot seinen Hals dem Schwert dar, das schon so viele Leben genommen hatte. Najel hob die Waffe und dachte an das Versprechen, das er Ke’b’ree gegeben hatte, jenes Versprechen, das er und Maara nie eingelöst hatten. Zum letzten Mal ließ er den Blick über das untergehende Jal schweifen…
Plötzlich ließ er die verfluchte Waffe fallen, warf sich auf Guederic und zog ihn mit sich durch die Pforte. Sie landeten in salzigem Wasser, das den Boden einer Höhle bedeckte. Einer sehr wirklichen Höhle.
Als sich Najel aufrappelte, lachte er erleichtert und schüttelte triumphierend die Faust zum Himmel. Was scherten ihn die Prophezeiungen Usuls, der Undinen oder irgendeiner anderen Kreatur, die einzig und allein dem Wahn der Menschen entsprungen war? Diesmal hatte das Zeitalter von Ys wahrhaftig begonnen. Die Sterblichen würden nie mehr unter den Launen von Göttern zu leiden haben!
EPILOG
Grigán klopfte seine Pfeife gegen den Felsen, auf dem er saß, zog eine kleine Schachtel aus der Tasche seiner schwarzen Lederkluft und ließ ein paar Krümel in den Kopf rieseln. Was für ein Pech! Keiner der jungen Leute hatte auch nur eine einzige Prise Tabak im Gepäck gehabt. Also musste er sich weiterhin mit den Kräutern begnügen, die er im Dara gepflückt hatte. Natürlich war Rauchen eine schlechte Angewohnheit, aber er hatte sich schließlich mit irgendetwas die Zeit vertreiben müssen, als er im Jal gefangen gewesen war.
Als die Pfeife fertig gestopft war, schob er sie sich kalt in den Mundwinkel. Er war zu träge, um zum Lagerfeuer hinüberzugehen, einen glühenden Zweig zu nehmen und die getrockneten Blätter anzuzünden. Nicht, dass es ihm an Kraft gefehlt hätte; trotz seines hohen Alters war ihm Müdigkeit fremd. Nein, Grigán wollte einfach noch etwas länger auf dem Felsen sitzen bleiben, aufs Meer hinausschauen und dem friedlichen Plätschern der Wellen lauschen.
Bei dem Gedanken, welche Ironie des Schicksals sie an diesen Ort geführt hatte, grinste er schief. Nun, da die Erben endlich aus dem Jal hatten fliehen können, waren sie auf einer Insel mitten im Meer gefangen. Natürlich nicht auf irgendeiner Insel! Grigán hatte die Anhäufung Felsen vor der lorelischen Küste auf Anhieb erkannt. Sämtliche Generationen Erben hatten der Insel Ji, die auf den Landkarten nicht mehr war als ein winziger Punkt, einen Besuch abgestattet, seit Nol der Seltsame die weisen Gesandten zum ersten Mal hierhergeführt hatte.
Als er die Augen schloss, war es Grigán, als könnte er sehen, wie seine Vorfahren vor ewigen Zeiten auf der Insel landeten, genau hier an dem Strand, wo er jetzt saß. Seitdem war viel Blut geflossen…
Grigán war erleichtert, dass jetzt alles vorbei war und dass seine Urenkel in Zukunft unbeschwert aufwachsen konnten und nicht irgendwann durch die Welt reisen mussten, um
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