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Die Götter - Das Schicksal von Ji: Die Götter 4 - Roman (German Edition)

Die Götter - Das Schicksal von Ji: Die Götter 4 - Roman (German Edition)

Titel: Die Götter - Das Schicksal von Ji: Die Götter 4 - Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Grimbert
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seinen Menscheneltern bekommen hatte–, trat auch er die große Reise an. Er verließ seine sterbliche Hülle und war fortan nur noch ein körperloser Geist, bereit, dem Ruf des Nichts zu folgen. Nach der Katastrophe, der er hatte beiwohnen müssen, war dies sogar eine große Erleichterung. Doch etwas hielt ihn zurück. Eine Ahnung, vielleicht sogar eine Gewissheit, die er sich zwar noch nicht erklären, die er aber auch nicht verleugnen konnte. Irgendetwas war bei der Umwälzung, die die Welt soeben erfahren hatte, fehlgeschlagen. Irgendetwas störte das Gleichgewicht – wie ein Sandkorn im Getriebe. Deshalb konnte Nol der Vergangenheit nicht den Rücken kehren. Seine Aufgabe, Harmonie zwischen Menschen und Unsterblichen zu stiften, war noch nicht erfüllt.
    Durch reine Willenskraft entsagte Nol der ewigen Ruhe, die sich ihm darbot, und sein Geist kehrte in seinen Körper zurück. Doch dieser Körper war fortan verwundbar und sterblich. Der einstige Gott stellte fest, dass er nun auch weinen konnte. Tagelang gab er sich seinen Tränen hin. Schließlich machte ihn sein Körper noch mit anderen Bedürfnissen bekannt: Durst, Kälte, Müdigkeit und Hunger. Der Hüter des Dara musste lernen, sich um die lebensnotwendigen Dinge zu kümmern. Und das tat er auch, unbeholfen wie ein Kind.
    Wenn er sich nicht gerade der Verzweiflung überließ, dachte er über die Eingebung nach, die ihn dazu veranlasst hatte, in die Welt der Menschen zurückzukehren. Was genau hatte er da eigentlich gespürt? Was war dieses Sandkorn, und inwiefern bedrohte es das Zeitalter von Ys, das eigentlich nach der Vernichtung des Jal hatte anbrechen sollen? Leider fand er auf diese Fragen keine Antwort. Der Ewige Gott war nunmehr ein machtloser Sterblicher, der noch dazu keine Verbindung zu anderen Menschen hatte.
    Um sich die Langeweile zu vertreiben, erforschte er das Tal von einem Ende zum anderen. Es war nur ein blasses Abbild der prachtvollen Gärten des Dara, aber trotzdem wollte er es nie mehr verlassen. Es gab zu viele Gründe hierzubleiben: die Erinnerungen, die dieser Ort in ihm wachrief, die verzweifelte Hoffnung, dass seine verlorenen Kinder eines Tages doch noch durch die Pforte treten würden, und die Furcht, die ihm die unterirdischen Gänge einflößten. Sie waren der einzige Ausweg aus dem Tal, aber Nol weigerte sich, sie zu betreten; er wagte sich nicht einmal ein paar Schritte hinein. Die Ähnlichkeit dieser finsteren Gänge mit dem Karu war einfach zu offensichtlich.
    Die Jahre vergingen, und das Leben als Einsiedler machte dem Hüter mehr zu schaffen, als er gedacht hatte. Manchmal bereute er sogar, dass er in der Welt der Sterblichen geblieben war. Hatte er die entsetzlichen Ereignisse nur überlebt, um hier am Rande der Welt nutzlos vor sich hinzudämmern?
    Nach zehn Jahren Einsamkeit dachte er immer öfter daran, seinen Leiden ein Ende zu setzen. Und vielleicht hätte er diesen Gedanken irgendwann auch in die Tat umgesetzt, wäre nicht eines Tages ein Kind aus einem der unterirdischen Gänge gekommen und hätte in seinen Armen Schutz gesucht.
    In der nächsten Zeit erreichten viele weitere Kinder das Tal, und Nol der Seltsame begrüßte jedes wie ein kleines Wunder. In ihnen erkannte er seine Schützlinge wieder: Zwar waren sie im Körper von Sterblichen wiedergeboren worden, aber es handelte sich eindeutig um die Kinder des Dara.
    Nol konnte sich gut vorstellen, wie beschwerlich es für sie gewesen war, ihn zu finden. Auf dem Weg hatten die Kinder viele Entbehrungen, Verletzungen und Leiden auf sich nehmen müssen, denn sie kamen geschunden, erschöpft und ausgehungert aus dem Tunnel gestolpert. Und diejenigen, die zu ihm gelangten, hatten vermutlich noch Glück gehabt– viele andere mussten bei dem Versuch ums Leben gekommen sein.
    Der Hüter wusste nicht genau, warum das Tal sie anzog, und auch die Kinder selbst hatten keine Erklärung dafür, aber nach ihrer Ankunft nahmen sie ihr Leben wieder auf, wie sie es aus dem Dara kannten. Allerdings waren sie nun Sterbliche ohne übermenschliche Kräfte: Sie mussten essen und schlafen und wurden älter.
    Nol konnte seine Freude über ihre Rückkehr nicht verhehlen, auch wenn das eigentlich nicht hätte geschehen dürfen. Es war unnatürlich, dass sich die Kinder an ihr früheres Leben erinnerten. Offenbar hatten Bilder aus einer anderen Zeit sie seit frühester Kindheit verfolgt und sie dazu gebracht, ihre Familien und ihr Zuhause zu verlassen, um nach dem blassen Abbild ihres

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