Die Götter - Das Schicksal von Ji: Die Götter 4 - Roman (German Edition)
musste erst die Wahrheit über ihre Herkunft erfahren, bevor sie an die Zukunft denken konnte. Dieser Gedanke brachte Damián schließlich doch dazu, das Gespräch mit ihrem Gastgeber zu suchen.
» Die Wurzeln und Beeren sind köstlich«, sagte er mit Unschuldsmiene, » aber früher oder später würde mir das Brot fehlen. Seit wann lebt ihr schon hier im Tal?«
Das glückselige Lächeln auf Nols Gesicht verschwand schlagartig. Damián fürchtete schon, er hätte etwas Falsches gesagt, vor allem, als der Hüter Zejabel einen rätselhaften Blick zuwarf.
» Seit der Erzfeind und seine dreizehn Gefährten das Dara, das Karu und alle Unsterblichen vernichtet haben«, antwortete er. » Seit jener Nacht, als ich zu altern begann. Das war vor nunmehr dreiundzwanzig Jahren. Die Zeit, die seither vergangen ist, kommt mir länger vor als all die Jahrtausende davor.«
Und ohne dass es noch einer weiteren Aufforderung bedurfte, begann Nol zu erzählen. Aus seiner heiseren, bisweilen zittrigen Stimme klang zwar Wehmut, nie aber Zorn über das, was geschehen war.
Die Sonne stand hoch am Himmel, und der Nebel hatte sich längst gelichtet, aber Maara zog zum wiederholten Male ihren pelzbesetzten Umgang enger um die Schultern. Doch die Kälte kam nicht von außen, sondern von innen. Mit jedem Wort, das Nol sprach, verstärkten sich das Unbehagen und die Verwirrung der wallattischen Prinzessin.
Nach einer Weile ging ihr auf, was sie an der Geschichte neben dem tragischen Inhalt und dem Gerede von der Wiedergeburt, mit dem die bodenständige Kriegerin wenig anfangen konnte, störte: Der Alte trug seine Erzählung vor, ohne sich zu beklagen. Seinen Gleichmut fand Maara völlig unbegreiflich. Vielleicht waren seine Enthüllungen nichts als ein großes Netz aus Lügen. Oder der Alte hatte den Verstand verloren und konnte deshalb das Ausmaß seines Unglücks nicht mehr ermessen. Schließlich hatte er Grund genug zur Klage!
Auf den Teil der Geschichte, den die Erben bereits kannten, kam er nur kurz zu sprechen, zum Beispiel auf die verschiedenen Begegnungen zwischen ihm und den früheren Generationen der Erben; bei der letzten war Zejabel ja ohnehin dabei gewesen. Seine eigentliche Erzählung begann mit dem Augenblick, als der Erzfeind mit vier einfachen Worten das Jal vernichtet hatte. Genauer gesagt, ein paar Dezillen vor jenem schicksalsträchtigen Moment. Damals hatte Nol auf einer Wiese im Dara gesessen, umgeben von den jüngsten Götterkindern. Er war gerade dabei, sie zu unterrichten, so wie er es seit Jahrtausenden getan hatte. Natürlich wusste er nicht, was sich zur selben Zeit im Königspalast von Lorelia abspielte. Er hatte keine Ahnung, dass er kurz davor stand, sich in Nichts aufzulösen– mit allem, was seine Welt ausmachte.
Ganz im Gegensatz zu seiner Schwester.
Die Wächterin des Karu war das einzige Wesen, das Prophezeiungen aussprach, die sich zwangsläufig erfüllten. Sie kannte als Einzige die unabänderliche Zukunft. Deshalb wusste sie auch genau, wann die Kinderstube der Götter vernichtet werden würde. Bloß was danach passieren würde, wusste sie nicht, denn ihre Kräfte waren mit den Höhlen des Karu verknüpft, und diese waren dem Untergang geweiht. So beschloss die Wächterin des Karu, kurz vor dem schicksalhaften Augenblick ihre eigene Pforte zu durchschreiten, um der Vernichtung zu entgehen. Seither war sie im Tiefen Turm von Romin gefangen und sann auf Rache.
Ob sie gewusst hatte, dass sie dadurch auch ihrem Bruder helfen würde, aus dem untergehenden Jal zu entkommen? Wenn ja, hatte sie es sicher nur zähneknirschend in Kauf genommen, denn sie betrachtete ihn als Feind. Doch die beiden waren durch so enge Bande miteinander verknüpft, dass ihre Flucht Nol vor dem bevorstehenden Ende des Jal warnte.
Aber was konnte er dagegen tun? Das Ereignis war gewiss seit Anbeginn der Zeit in Stein gemeißelt. Er beschloss, zumindest die wenigen Kinder zu retten, die im Kreis um ihn herumsaßen. Er musste ihnen helfen, die Pforte zu durchqueren. Aber wie? Sombre hatte fast alle Ewigen Wächter der bekannten Welt getötet. Ohne ihre Kräfte, mit denen sie die Magie der Pforte in Gang setzten, war es unmöglich, einen Durchgang zwischen dem Jal und der Welt der Sterblichen zu öffnen.
Neben ihm selbst gab es nur noch zwei weitere Wächter, und beide befanden sich in der Nähe einer Pforte. Sombre war im Königspalast von Lorelia; aber sich in die Gewalt des Dämons zu begeben, war undenkbar. Nols Schwester, die
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