Die Götter - Das Schicksal von Ji: Die Götter 4 - Roman (German Edition)
bewahrt. Wir sollten ihn nicht vor den Kopf stoßen. Lassen wir ihn erst einmal reden. Wir werden ja sehen, ob uns das weiterbringt.«
» Reine Zeitverschwendung!«, brummte Maara.
Dann schob sie ein wallattisches Schimpfwort nach, das Najel noch nie zu verwenden gewagt hatte. In diesem Moment erschien es ihm allerdings verdammt passend.
Nol führte sie zurück zu dem Baum, auf dem sie übernachtet hatten. In der Nähe gingen mehrere Talbewohner ihrem Tagewerk nach. Damián richtete aus der Ferne einen freundlichen Gruß an die jungen Männer und Frauen, doch niemand erwiderte die Geste. Im Gegenteil, die rätselhaften Unbekannten verschwanden zwischen den Bäumen, sobald Nol und die Erben näher kamen.
» Sie haben lange keine neuen Gesichter gesehen«, erläuterte der Hüter. » Ich werde mit ihnen reden und ihnen sagen, wer ihr seid.«
Damián nickte höflich; die Erben hatten im Moment andere Sorgen als den Argwohn der Talbevölkerung. Gleich darauf stellte er fest, dass die Einheimischen ihre Gäste zumindest nicht verhungern lassen würden: Unter den großen Tannen war auf einer Bastmatte eine Vielzahl kalter Speisen angerichtet, die ganz offensichtlich für die Reisenden bestimmt waren.
» Habt Ihr sie darum gebeten?«, fragte Lorilis verwundert.
» Nein«, erwiderte der Greis lächelnd. » Das ist ihre Art. Sie kümmern sich rührend um mich, mehr, als ich es ihnen durch gute Taten vergelten könnte. Früher hätte ich das vielleicht gekonnt. Aber jetzt nicht mehr, wo meine Kräfte schwinden.«
Niemand ging auf diese letzte Bemerkung ein, um nicht an Nols Schmerz zu rühren. Damián warf einen Blick auf die dargereichten Speisen, die ihre Gastgeber offensichtlich im Tal gesammelt hatten: Beeren, Wurzeln, Knollen, Pilze, Blumen und Kräuter. Sein Hunger war so groß, dass selbst dieses karge Mahl köstlich aussah. Trotzdem hätte Damián an diesem kühlen Morgen nichts gegen eine heiße Suppe einzuwenden gehabt. Aber leider durfte im Tal kein Feuer gemacht werden.
» Essen wir euch auch nichts weg?«, vergewisserte er sich. » Das Tal ist ja nicht sehr groß, und die Nahrung, die es hergibt, sicher begrenzt. Wir haben noch einen Rest Proviant, mit dem wir uns begnügen können.«
Guederic, Najel und Maara, die bereits dabei waren, wilde Erbsen aus einem Korb zu picken, erstarrten in der Bewegung.
» Die Gärten liefern uns reichlich Nahrung«, versicherte der Hüter. » Zwar nicht so wie das Dara, aber wir leiden keinen Hunger. Selbst in der kalten Jahreszeit nicht. Also macht euch keine Sorgen und esst!«
Nachdem ihre Bedenken ausgeräumt waren, hockten sich die Erben auf die Bastmatte und reichten die Schalen herum, damit jeder von allem probieren konnte. Nol setzte sich zu ihnen in den Kreis. Er aß wenig und lächelte viel, vor allem, wenn sein Blick auf Guederic und Souanne fiel. Damián brannte darauf, den Hüter nach seinen wiederholten Anspielungen auf ihre göttliche Herkunft zu fragen. Aber da er selbst dazu geraten hatte, den alten Mann nicht zu drängen, wollte er nicht der Erste sein, der damit anfing.
Nol hatte es jedoch offenbar nicht eilig, seine Geheimnisse preiszugeben. Vielleicht genoss er aber auch nur den friedlichen Moment und wollte sie nicht beim Essen stören. Um sich abzulenken, richtete Damián seine Gedanken auf Souanne. Als er sie kennengelernt hatte, hatte sie mit ihm um das Amt des Ritters der Grauen Legion gewetteifert. Dann war sie seine Untergebene geworden, seine Waffen- und Reisegefährtin und schließlich eine gute Freundin… Und jetzt? Nach dem Kuss, den sie ihm im Halbschlaf gegeben hatte? Nach der letzten Nacht, in der sie sich wie ein verängstigtes Kind an ihn geklammert hatte? Wie standen sie nun zueinander?
Damián konnte seine eigenen Gefühle für die junge Frau nicht länger verleugnen. Sie kämpften für die gleichen Werte, freuten und ärgerten sich über die gleichen Dinge und waren beide bereit, für einen hehren Zweck ihr Leben aufs Spiel zu setzen. Es bestand kein Zweifel, dass er sich zu ihr hingezogen fühlte– und sie sich zu ihm. Kurzum, sie waren füreinander bestimmt. Auch wenn er erst einen Mond lang um die halbe Welt hatte reisen müssen, um sich darüber klar zu werden.
In diesem Moment bemerkte Souanne, dass er sie beobachtete, und sah zu ihm herüber. Verlegen wandten beide rasch den Blick ab. Das war also der Stand der Dinge. Sie konnten sich nicht zu ihrer Liebe bekennen, ehe gewisse Angelegenheiten geklärt waren. Souanne
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