Die Götter der Flusswelt - Flusswelt-Zyklus 5
ausscheiden und, wie Burton sagte, sein Ich mit angemessener Rücksicht auf die anderen kultivieren. Man konnte Fragen stellen, aber wenn man die Antwort nicht sofort erhielt, konnte man darauf hoffen, daß man sie später erhalten würde.
Frigate wurde Sternenlöffel vorgestellt und unterhielt sich eine Weile mit ihr, obwohl er einige Schwierigkeiten hatte, sie zu verstehen. Sie sprach Esperanto, aber da sie in einer Gegend gelebt hatte, die hauptsächlich von Chinesen des achten Jahrhunderts n. Chr. und italischen Sabinern des fünften Jahrhunderts v. Chr. bewohnt worden war, wies ihr Esperanto viele unbekannte Lehnworte auf. Nach einer Weile entschuldigte Frigate sich und kehrte in sein Quartier zurück. Wie Burton war er besorgt, weil Li Po seine Gefährten wegen Sternenlöffel nicht konsultiert hatte. Die Gruppe brauchte wirklich neue Mitglieder; acht reichten nicht aus, um ihr die Vielfalt und Frische zu geben, die sie dringend benötigte. Wegen der Mühsal, die sie auf dem Weg zu ihrem Ziel erlitten hat ten, standen sie einander zwar sehr nahe, aber die Vertrautheit hatte sie auch zu einer Familie werden lassen, und wie die meisten Familien gingen sie einander manchmal auf die Nerven und stritten über Belanglosigkeiten. Mit der Ausnahme Nurs.
Frigate hielt es für richtig und für nötig, andere Menschen auferstehen zu lassen. Aber sie sollten sorgfältig ausgesucht werden. Sie brauchten keine Unruhestifter.
Li Po hatte die Schleusen geöffnet. Die anderen aus der Gruppe würden ihre eigenen Toten zurückholen wollen, und es gab - im Moment wenigstens - keine Begrenzung der Zahl, die wiederbelebt werden konnte, noch irgendeine Vorbedingung, die man für ein Wiedererwecken stellen konnte.
Burton empfand wie Frigate, und die meisten anderen dachten zweifellos ähnlich. Und doch war er so gut wie hilflos, wenn es darum ging, diese Individualisten im Zaume zu halten. Er war tapfer, stark und verwegen, aber er war kein guter Führer, außer in Situationen, die nach sofortigen und durchschlagenden Aktionen verlangten. Er war ganz einfach kein Verwalter für Friedenszeiten.
Nur el-Musafir sollte derjenige sein, dem die Gruppe nun folgen und gehorchen sollte, aber er hatte sich nicht für das Amt zur Verfügung gestellt und würde es wahrscheinlich auch nicht. Von ihnen allen war er der weitsichtigste. Er wußte, daß niemand das unausweichliche Abdriften in die Anarchie in den Griff bekommen würde.
15.
Burton sah, wie schockiert Sternenlöffel war, als ein Bildschirm ihre Geburt abspielte. Er hatte zwar damit gerechnet, daß sie betroffen sein würde, war jedoch überrascht, wie stark sie darauf reagierte. Wie die meisten Menschen westlicher Kulturen hielt er die Chinesen für eine Nation mit strenger Selbstkontrolle, für »unergründliche Orientalen«. Li Po war kaum zurückhaltend, eher schon manisch, aber er war auch die Ausnahme, die die Regel bestätigte. Burton nahm Li Po zur Seite und sprach mit ihm darüber. Der Chinese lachte laut. »Vielleicht waren die Chinesen deiner Zeit wirklich ausdruckslos - in Gegenwart von Fremden oder in bedrohlichen Situationen. Aber Sternenlöffel und ich gehören dem an, was ihr das siebente Jahrhundert nennt. Glaubt ihr, wir wären so wie die Chinesen eurer Zeit? Wir gleichen ihnen so wenig, wie die Engländer des siebenten Jahrhunderts denen deiner Epoche gleichen.«
»Ich bin hinreichend zurechtgewiesen und getadelt worden«, sagte Burton.
»Vielleicht stört sie sich nicht so sehr an dem, was sie gerade sieht«, sagte Nur, »sondern an dem, was sie noch zu sehen bekommen wird.«
Es war unmöglich, sich wohlzufühlen, wenn ihre Vergangenheit gezeigt wurde. Burton schlug vor, von nun an für die gemeinsamen Mahlzeiten eine leere Wohnung auszuwählen. Sie würden die Wände streichen, damit man die Projektionen nicht mehr sehen konnte. Alle waren der Meinung, dies sei eine hervorragende Idee, und Burton kehrte in sein Quartier zurück. Er bestellte beim Computer zwei Androiden, Proteinroboter, gab die Spezifikationen und mußte dann genau dreizehn Sekunden warten, bis sie in den Konvertern erschienen. Es hatte ihm Spaß gemacht, dem einen das Gesicht von Colonel Henry Corsellis zu geben, dem verstorbenen Kommandanten des 18. Infanterieregiments von Bombay, und dem anderen das von Sir James Outram, dem verstorbenen Helden des Indischen Aufstandes, des Statthalters seiner Majestät in Aden. Burton hatte sich Corsellis zum Feind gemacht, als er in
Weitere Kostenlose Bücher