Die Götter der Flusswelt - Flusswelt-Zyklus 5
getan hat, den Tenor der Lehren des Gründers zu verändern als jeder andere, und jetzt ist er ein fanatisches Mitglied der Kirche der Zweiten Chance. War, sollte ich besser sagen. Die Kirche braucht Anhänger, aber keine Fanatiker, und so haben sie ihn neulich herausgeworfen. Mittlerweile interessiert er sich für die Lehren der Dowisten.«
»Der Dowisten?«
»Erzähle dir später mal von ihnen. Paulus lebt am Fluß. Ich spürte ihn auf und beobachtete ihn eine Zeitlang. Häßlicher kleiner Bursche, aber ein kraftvoller Redner. Er lebt nicht mehr im Zölibat; er kam zum Schluß, daß er brennt, und will, daß eine Frau die Flamme auslöscht.«
Frigate zeigte ihnen drei Männer, die er wegen ihrer unbezweifelhaften Verderbtheit und gewaltigen Bekanntheit in seiner Zeit aufgespürt hatte. Burton hatte im Tal von ihnen gehört, aber bislang nicht viel über sie in Erfahrung gebracht. Adolf Hitler war ein Jahr vor Burtons Tod geboren worden, Joseph Dschugaschwili, besser bekannt als Stalin, wurde elf Jahre vor Burtons Tod geboren, und Mao Tse-Tung wurde drei Jahre nach 1890 geboren.
»Sie hängen jetzt in den Speichern fest«, sagte Frigate. »Ich habe zwar noch nicht viel Zeit gehabt, ihr Leben nach der Erde zu begutachten, aber ich habe schon genug gesehen, um sicher zu sein, daß sie sich nicht zum Besseren gewandelt haben. Ihre Natur entspricht im Prinzip immer noch der Iwan des Schrecklichen. Den ich übrigens auch lokalisiert habe.«
»Du glaubst, daß es keine Hoffnung für sie gibt«, sagte Nur, »daß sie sich niemals zum Besseren ändern werden?«
»Ja. So sieht es jedenfalls aus. Sie waren und sind bösartig, sadistische und kaltblütige Killer, Massenmörder ohne Liebe. Psychopathen.«
»Aber Loga sagte, es gäbe keine wirklichen Psychopathen auf der Flußwelt. Er sagte, Menschen seien nur wegen gewisser chemischer Unausgeglichenhei ten echte Psychopathen. Diese Unausgeglichenheit, diese Unzulänglichkeiten, wurden bei der Wiederbelebung ihrer Körper eliminiert.«
Frigate zuckte die Achseln. »Ja, ich weiß«, sagte er. »Wie sieht jetzt ihre Entschuldigung aus? Sie haben keine; sie haben mit eigenem freien Willen ihr Verhalten gewählt. Sie und nur sie allein sind verantwortlich.«
»Das mag schon sein«, sagte Nur, »aber es obliegt dir nicht, sie zu vernichten oder die ihnen zugestandene Zeit zu beschneiden. Wer weiß? Vielleicht erfahren sie im allerletzten Augenblick eine radikale Charakterveränderung. Sieh die guten Seiten! Denke an Göring.«
»Göring fing vor Jahren an, unter Gewissensbissen und Schuldgefühlen zu leiden. Diese … Kreaturen … Stalin, Hitler, Mao, Iwan der Schreckliche … sind immer noch bereit … ja sogar versessen darauf … jeden zu töten, der ihnen im Weg steht. Und ihr Weg ist ständig auf die Macht ausgerichtet, überlegene Macht, die Macht, andere zu beherrschen, über sie zu bestimmen und alle zu vernichten, die sich ihnen in den Weg stellen. Oder von denen sie es glauben. Weißt du, es sind alles echte Paranoiker. Obwohl sie versuchen, eine Realität zu erschaffen, und dies ihnen oft auch gelingt, haben sie keinen Kontakt zur Realität. Ich meine, sie nehmen die Dinge nicht so wahr, wie sie wirklich sind. Sie werden von ihrer Lust getrieben, die Realität in das zu verwandeln, was sie ihrer Meinung nach ist oder sein sollte.«
»Die meisten Menschen werden von dem gleichen Drang getrieben.«
»Es gibt große Übel und kleine Übel.«
»Große Übeltäter und kleine Übeltäter, meinst du wohl. Es gibt so etwas wie das abstrakte Übel nicht. Das Übel besteht immer aus konkreten Taten und konkreten Tätern.«
Burton, der zugehört hatte, wurde ungeduldig.
»Die wahre Philosophie liegt nicht in der Rede, die die meisten Philosophen für Philosophie halten, sondern in der Tat. Pete, du redest ziemlich viel darüber, was du gern tun würdest. Warum? Weil du Angst hast, es zu tun, und deine Furcht dem Gefühl entstammt, daß es dir an der Selbstrechtfertigung mangelt?«
»Ich dachte immer, Richte nicht, wenn du nicht willst, daß man auch über dich richtet.«
»Glaubst du wirklich nur einen Augenblick lang, daß man nicht über dich richtet, auch wenn du es unterläßt, über andere zu richten?« sagte Burton verächtlich. »Außerdem ist es einem einfach unmöglich, nicht über andere zu urteilen. Selbst Heilige kommen nicht umhin, über andere ein Urteil zu fällen, auch wenn sie versuchen, dies zu vermeiden. Es
Weitere Kostenlose Bücher