Die Götter - Die Macht der Dunkelheit - Grimbert, P: Götter - Die Macht der Dunkelheit - Les Gardiens de Ji, Tome 3: Le deuil écarlate
schoben. Ehe sie es sich versah, lag sie – halb nackt – auf dem Rücken und auf ihr ein Mann, der ungestüm ihren Hals küsste und sie dabei vollständig zu entkleiden suchte.
In diesem Moment durchfuhr sie ein Gedanke. Sie durfte sich den Gefühlen, die sie mitzureißen drohten, nicht hingeben. Zwar sehnte sie sich nach nichts mehr, als die Lust zu befriedigen, die in ihr erwacht war. Außerdem hatte Guederic einige Dekanten zuvor so mutig sein Leben für sie aufs Spiel gesetzt, dass sie bereit war, es ihm auf jede erdenkliche Art zu vergelten. Aber ein unüberwindliches Hindernis machte ihre körperliche Vereinigung unmöglich. Sie war wider die Natur, und das spürte Souanne jetzt so deutlich, dass alle anderen Erwägungen davon hinweggefegt wurden. Und obwohl sie dieses Gefühl nicht erklären konnte, entschied sich Souanne, ihm voll und ganz zu vertrauen.
Sie hörte auf, Guederics Küsse zu erwidern, versuchte erst, ihn sanft zum Aufhören zu bewegen, und stieß ihn dann, als diese Versuche nicht fruchteten, heftig von sich.
Sie hatte ihre gesamte Kraft dafür aufbringen müssen, so sehr sprühte der junge Mann vor Energie. Jetzt lag er ein paar Schritte von ihr entfernt keuchend am Boden, die Decke halb über den Hüften. Sein Gesichtsausdruck, eine Mischung aus Wut und Unverständnis, bestärkte Souanne in ihrer Überzeugung, dass sie nicht zusammen sein konnten. Sie durften es einfach nicht.
Einen Augenblick lang fürchtete die Legionärin allerdings, dass sie ihn nicht von seinem Plan würde abbringen können. Guederic wirkte so verärgert, dass sie sich fragte, ob er überhaupt Rücksicht auf ihre Wünsche nehmen würde. Doch schließlich wandte er den Kopf ab und lenkte ein. Sogleich war die Spannung verflogen. Verstört zupfte Souanne ihre Kleider zurecht und entfernte sich rasch von der aufgewühlten Schlafstätte. Als sie an Guederic vorbeiging, der mit finsterer Miene vor sich hinstarrte, legte sie ihm freundschaftlich die Hand auf die Schulter.
» Nimm es mir nicht übel«, bat sie ihn. » Wir beide haben schon etwas anderes gemeinsam, und bevor wir nicht genau wissen, was dahintersteckt, sollten wir vorsichtig sein. Lass uns lieber Freunde sein. Du könntest der engste Freund werden, den ich je haben werde.«
Sie drückte ihm einen flüchtigen Kuss auf den Nacken und verließ eilig den Laderaum, ohne sich noch einmal umzudrehen. Die triebhafte Seite in ihr brüllte, sie solle sich umdrehen und ihre Lust befriedigen. Die andere, deren Ursprung sie nicht kannte, flüsterte ihr zu, dass sie richtig gehandelt hatte.
Als sie oben an der schmalen Treppe angelangt war und gerade durch die Tür treten wollte, hörte sie von unten wieder ein Geräusch. Aber sie hätte nicht sagen können, ob Guederic wütend knurrte oder schluchzte.
Damián war überrascht, als Souanne wieder an Deck erschien. Sie war erst vor einer knappen Dezime hinuntergegangen und hatte so müde ausgesehen, dass er dachte, sie würde mindestens einen Dekant lang schlafen. Stattdessen wirkte sie regelrecht energiegeladen, wie ein Spaziergänger nach einem kräftigen Regenschauer. Die junge Frau machte ein paar nervöse Schritte an der Reling entlang, blieb einige Male stehen, um zum Horizont hinauszublicken, und kam dann geradewegs auf den Ritter zu, der gegen ein bisschen Gesellschaft nichts einzuwenden hatte.
Doch Souanne warf ihm nur ein schmales Lächeln zu, ließ sich am Heck des Schiffs nieder und starrte lange auf das aufgewühlte Kielwasser. Damián ertappte sich dabei, wie er ihr verstohlene Blicke zuwarf. Außer ihrem grauen Umhang trug sie keine Uniform mehr. Die zwanglose Kleidung betonte ihre Weiblichkeit, die der Ritter in Lorelien stets geflissentlich ignoriert hatte. Als sie sich umdrehte, wandte er rasch den Blick ab. Sie sollte seine Verlegenheit nicht sehen.
Was er für seine ehemalige Rivalin im Kampf um den Titel eines Ritters der Grauen Legion empfand, konnte er nicht in Worte fassen. War es Bewunderung? Mindestens. Die junge Frau hatte zahlreiche Eigenschaften, die ihm gefielen. Sie war in ein Drama verwickelt worden, das sie nicht persönlich betraf, hatte aber den Kampf angenommen und sich als zuverlässig, solidarisch und mutig erwiesen. War es ein Gefühl der Verbundenheit? Sicher auch das. Sie hatten denselben Unterricht besucht, die gleiche Uniform getragen und dieselben Amtsstuben aufgesucht. Und noch in dieser Nacht hatten sie gemeinsam unter dem Sternenhimmel gewacht und fast wortlos alle
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