Die Götter - Die Macht der Dunkelheit - Grimbert, P: Götter - Die Macht der Dunkelheit - Les Gardiens de Ji, Tome 3: Le deuil écarlate
vielleicht sind da noch Hunderte von ihnen, eines furchtbarer als das andere«, entgegnete Maara. » Wir haben nicht die geringste Ahnung und sind keinen Schritt weiter.«
» Im Gegenteil. Die Tatsache, dass wir einem Gespenst begegnet sind, erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass es hier noch eine unversehrte Pforte gibt, durch die wir ins Jal gelangen und unsere Eltern finden können. Vielleicht sogar noch heute Nacht.«
» Vorausgesetzt, wir überleben den Abstieg bis ganz unten«, wandte Josion ein. » Und nach dem, was wir gerade gesehen haben, wird das kein Spaziergang.«
Die anderen schwiegen bedrückt. Doch trotz ihrer Furcht vor den Geistern dachte die Kriegerin nicht daran aufzugeben.
» Das Gespenst hatte Angst vor meiner Laterne«, wiederholte sie. » Wenn wir alle Lampen anzünden, die wir mitgebracht haben, können wir sie uns vom Leib halten.«
» Aber es hat sich doch auf die Flamme gestürzt, um sie zu löschen«, warf Lorilis ein. » Mag ja sein, dass sie kein Licht mögen. Aber die Laternen reichen nicht aus, um uns vor ihnen zu schützen.«
» Damals konnte sie nur die Anrufung der Eurydis abschrecken«, bekräftigte Josion. » Auf diese Weise haben unsere Ahnen die Angriffe überlebt. Aber es wirkte nicht bei allen …«
» Und Eurydis gibt es nicht mehr«, stöhnte Damián. » Die Göttin hat sich zusammen mit dem Jal und den anderen Unsterblichen in nichts aufgelöst. Was können unsere Gebete schon ausrichten, wenn keine Götter mehr da sind, um sie zu erhören?«
» Das werden wir gleich herausfinden«, stieß Maara trotzig hervor.
Sie zündete ihre Lampe wieder an, stapfte entschlossen zum Treppenabsatz und betrat die erste Stufe.
» Worauf wartet ihr?«, drängte sie.
Wie sie gehofft hatte, folgten ihr die anderen auf den Fuß, und zwar in der Reihenfolge, die sie zuvor festgelegt hatten. Bald erreichten die Erben das nächste Geschoss, das ebenfalls recht gut erhalten war, aber sie hatten keine Zeit, sich umzusehen. Wenn die Gespenster tatsächlich so zahlreich waren wie bei dem Besuch ihrer Großeltern im Tiefen Turm, konnten sie es sich nicht erlauben, die Bücher nach Hinweisen und Antworten zu durchsuchen. Ihr Hauptziel in der versunkenen Stadt Romerij war es schließlich, die Pforte ins Karu zu finden – mit ander en W orten: noch tiefer hinabzusteigen als ihre Großeltern.
Je weiter die Erben ins Innerste der Erde vordrangen, desto größer wurden ihre Angst und Nervosität. Zwar passierten sie zwei weitere Geschosse, ohne auf einen Geist zu stoßen, aber die Anwesenheit der Schattenwesen war allgegenwärtig: Der beißende Gestank, die Krallenspuren auf den Mauern und die zu Haufen gestapelten Bücher und Möbelstücke waren Hinweise genug. Sie brauchten ihnen nicht erst zu begegnen, um zu wissen, dass sie sich im Reich der Geister befanden. Und plötzlich, nur wenige Dezillen nach der ersten unheimlichen Begegnung, standen die Erben zwei weiteren Gespenstern gegenüber. Wie sie reglos neben der Treppe verharrten, wirkten die beiden, als seien sie zu ewiger Wache verdammt. Ein Anblick, so grauenerregend wie aus einem Alptraum … Sie erinnerten Maara an riesige Gottesanbeterinnen in langen Mänteln.
» Eurydis!«, rief sie so selbstsicher, wie sie nur konnte. » Im Namen der Göttin, tretet beiseite!«
Gleichzeitig schwenkte sie die Lampe in ihre Richtung, während Zejabel unruhig den Schaft ihres Speers drehte. Zunächst reagierten die Gespenster nicht auf ihre Einschüchterungsversuche, doch dann zogen sie sich in die Tiefe zurück und waren nicht mehr zu sehen.
» Ha!«, rief die Kriegerin triumphierend. » Es hat geklappt!«
» Da wäre ich nicht so sicher …«, sagte Josion zweifelnd.
Maara schenkte ihm keine Beachtung und setzte ihren Abstieg fort. Natürlich war sie vorsichtig, schließlich wollte sie nicht von den beiden Gespenstern überrascht werden, doch eigentlich wähnte sie das Paar inzwischen weit weg. In diesem Moment stieß Damián einen warnenden Pfiff aus.
Als Maara sah, dass die beiden Gespenster ihren angestammten Platz hinter den Erben wieder eingenommen hatten, gefror ihr das Blut in den Adern. Der Weg zu den oberen Geschossen und damit auch zum Ausgang war versperrt. Die Kriegerin ballte die Fäuste und biss die Zähne zusammen. Wenn jetzt Geister von unten kamen, saßen sie in der Falle. Doch die unheimlichen Wächter der Treppe machten keine Anstalten, sie anzugreifen. So entfernten sich die Erben langsam von den beiden Gespenstern und
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