Die Götter - Die Macht der Dunkelheit - Grimbert, P: Götter - Die Macht der Dunkelheit - Les Gardiens de Ji, Tome 3: Le deuil écarlate
hasteten ebenfalls die Treppe hinunter. Souanne bildete die Nachhut, um ihnen den Rücken zu decken. Zum Glück blieben die Geister über ihnen auf der Treppe zurück. Offenbar hatten sie nicht mehr vor, zum Angriff überzugehen. Es war, als hätten sie ihre Gelegenheit verpasst – oder ihre Aufgabe erledigt.
Damián scherte das in diesem Moment herzlich wenig. Er wollte nur so schnell wie möglich zu seinem Bruder und ihn retten. Um alles andere würde er sich später kümmern. Selbst Guederics Anfall von Wahnsinn und seine überstürzte Flucht beschäftigten Damián in diesem Moment nicht. Wahrscheinlich hatten ihn die Gespenster in ihren Bann gezogen, oder er war ganz einfach in Panik geraten. Eins war jedenfalls sicher: Als Guederic um Hilfe gerufen hatte, war er wieder ganz der Alte gewesen.
Seither war kein Geräusch mehr zu den Erben heraufgedrungen. So schnell sie konnten, rannten sie die Stufen hinunter, einzig darauf konzentriert, nicht zu stolpern. Auf die Gespenster achteten sie gar nicht mehr. Von den Wänden des Turms hallten jetzt nur noch das Geräusch ihrer Schritte, das Klirren ihrer Waffen und das Keuchen ihres Atems wider. Guederic hatte keinen Laut mehr von sich gegeben.
Damián wollte nicht darüber nachdenken, was das heißen mochte. Schon jetzt bereute er bitter, die anderen zur Reise nach Romin überredet zu haben. Vor allem, da der Besuch in der Bibliothek sie bisher kein Stück weitergebracht hatte: Die Gefährten rannten an den Regalen vorbei, ohne einen Blick auf die kostbaren Bücher zu werfen. Sie ließen Stockwerk um Stockwerk hinter sich und ignorierten all das über die Jahrhunderte angesammelte Wissen, und die Manuskripte, die auf den Stufen herumlagen, räumten sie mit Fußtritten aus dem Weg. Unter normalen Umständen wäre so etwas dem gelehrten Offizier der Grauen Legion ein Graus gewesen, aber jetzt hätte Damián sogar den ganzen Turm in die Luft gesprengt, wenn ihn das schneller zu seinem Bruder gebracht hätte.
Damián hatte keine Ahnung, wie viele Stockwerke sie schon hinabgerannt waren. Nachdem sie die von dem Brand verwüsteten Geschosse hinter sich gelassen hatten, sah eins aus wie das andere. Nur die Bauweise wurde immer archaischer: Die Wände waren jetzt aus rohem Stein, und die Erben trafen wieder vermehrt auf Gespenster. Erst waren es nur weißliche Schemen, die in einiger Entfernung durch die Treppenstufen glitten und dabei widerlichen Gestank verströmten. Bei ihrem Anblick verlangsamten die Erben kaum den Schritt. Doch als die Gespenster – sowohl vom Aussehen als auch vom Verhalten her – immer bedrohlicher wurden, waren die Erben gezwungen, sich wieder mehr auf ihre Verteidigung zu konzentrieren. Damián machte diese Verzögerung rasend. Am liebsten wäre er schlichtweg durch die Schemen hindurchgerannt wie durch eine Nebelbank.
Zum Glück konnten die Erben einen Angriff abwenden und ihren Abstieg fortsetzen, indem sie Schwerter und Lampen einsetzten und weiterhin » Eurydis, Eurydis« riefen. Nach einer Weile hatte Damián sogar den Eindruck, dass sie von den Gespenstern nichts mehr zu befürchten hätten. Es war, als würden die Schemen nur noch beobachten, was mit den leichtsinnigen Eindringlingen geschah, die sich in die Tiefen des Turms hinabwagten. Aber gewiss hätten sie sich wie eine Meute hungriger Wölfe auf die Erben gestürzt, wenn diese so dumm gewesen wären, ihre Waffen zu senken oder zu schweigen.
So arbeiteten sich die Erben Stockwerk um Stockwerk nach unten vor. Immer mehr Schemen schwebten ihnen nun entgegen. Die Geister lösten sich ein paar Treppenstufen unter ihnen auf, nur um hinter ihnen wieder Gestalt anzunehmen. So wurde die Horde in ihrem Rücken immer größer, je tiefer sie gelangten. Auch wurde es immer wärmer, und bald lief Damián der Schweiß in Strömen übers Gesicht. Die salzige Flüssigkeit vermischte sich mit dem Blut aus seiner Kopfwunde, bis er aussah wie ein Barbar. Rasch wischte er sich mit dem Handrücken über das Gesicht. Er musste unbedingt einen klaren Kopf bewahren und durfte nicht wie sein Bruder blindlings in eine Falle tappen.
Als Damián die oberste Stufe der nächsten Treppe betrat, die noch älter und verwitterter war als der Rest des Turms, wichen die Gespenster plötzlich zurück. Sie wagten sich offenbar nicht weiter nach unten vor. Genauso war es vor einem halben Jahrhundert bei Corenn, Grigán, Reyan und deren Gefährten gewesen. Das konnte nur eins bedeuten: Die Sterblichen hatten das Reich
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