Die Götter - Die Macht der Dunkelheit - Grimbert, P: Götter - Die Macht der Dunkelheit - Les Gardiens de Ji, Tome 3: Le deuil écarlate
Boden unter den Füßen spürte, stieß er einen erleichterten Seufzer aus. Gleichzeitig malte er sich jedoch bereits die Schwierigkeiten aus, die er auf dem Rückweg haben würde. Zum Glück waren unter den Gefährten ein paar kräftige Männer, die am Seil hochklettern und den Schwächeren helfen konnten – vorausgesetzt, sie traten den Rückzug in Ruhe an und mussten nicht Hals über Kopf vor ihren Feinden fliehen.
Najel hielt das Seil für Lorilis fest, um ihr den Abstieg zu erleichtern, und begann dann zusammen mit ihr den legendären Ort zu erkunden. Ihnen bot sich ein trauriger Anblick. Der Boden war fast vollkommen bedeckt mit Schutt, zerbrochenen Steinen und geborstenen, halb verbrannten Balken. Der Turm maß etwa zwanzig Schritt im Durchmesser und hatte, soweit die Erben wussten, etwa zwanzig Geschosse. Najel sah sich um und erkannte, dass sie sich im zweiten Untergeschoss befanden. Das erste musste eingestürzt sein, was auch erklärte, warum die Decke so hoch war.
Josion hielt an der einzigen Treppe Wache, die in die Tiefe hinabführte. Sie war freigeräumt worden und begehbar, was einerseits erfreulich war, andererseits aber auch das Misstrauen aller weckte. Wer hatte den Schutt von der Treppe entfernt? Gewiss nicht die Rominer, die es offenbar eilig gehabt hatten, die Geisterbibliothek zu verschließen. Es sei denn, sie hatten versucht, jene Bücher zu retten, die vom Feuer verschont geblieben waren, bevor sie die Ruine des Turms für die Ewigkeit verschlossen. Das galt es, herauszufinden. Doch zunächst mussten sie warten, bis sich alle an dem Seil heruntergelassen hatten.
Souanne brauchte am längsten für den Abstieg. Das lag weniger an ihrer körperlichen Verfassung als an ihrer Abneigung gegen unterirdische Gewölbe. Damián spornte sie von oben mit aufmunternden Worten an, bis sie endlich einen Fuß auf den Boden der Bibliothek setzte. Kurz darauf war auch der Ritter unten angekommen und ging sofort zu seinem Cousin hinüber.
» Die Treppe ist nicht sehr breit«, sagte Josion. » Es können immer nur zwei zugleich hinuntergehen.«
» Ich gehe mit dir zusammen voran!«, erklärte Maara.
» Mir wäre es lieber, wenn Zejabel mit ihrem Speer vorgeht«, entgegnete Damián.
Doch die Prinzessin blieb stur, und so bat Damián schließlich die Zü, zusammen mit der Wallattin die Vorhut zu bilden. Hinter ihnen kamen Guederic und Josion, gefolgt von den beiden Jugendlichen. Souanne und Damián, die beiden Grauen Legionäre, bildeten die Nachhut. Als die Reihenfolge feststand, begannen die beiden Kriegerinnen im Licht der Laterne, die Maara anstelle ihres Schilds vor sich hertrug, den Abstieg.
Najel störte der Gestank noch immer, aber er verursachte ihm keine Übelkeit mehr. Mittlerweile hatte er sich einigermaßen daran gewöhnt. Stattdessen wunderte er sich darüber, dass es in diesem dunklen Loch so warm war. Trotzdem lief es ihm zuweilen eiskalt über den Rücken – aber nicht, weil er fror, sondern weil sein Blick auf eine Reihe Kerben im Stein fiel, die von riesigen Krallen zu stammen schienen.
Im Gegensatz zu den Wänden, an denen die Geister und die Feuersbrunst ihre düsteren Spuren hinterlassen hatten, waren die Stufen glatt und rutschig. Die meisten verloren in der Finsternis mindestens einmal den Halt und konnten oft nur mit knapper Not einen Sturz verhindern. Aus Angst nahm Lorilis schließlich Najels Hand, wogegen dieser nichts einzuwenden hatte. Die Wärme ihrer Finger gab auch ihm mehr Sicherheit, und er war gar nicht so nervös, wie er gedacht hatte, als sie das nächsttiefere Geschoss erreichten.
Es war in bedauernswertem Zustand. Zwar sah es weiter oben noch schlimmer aus, aber die Erben verzichteten auch hier darauf, nach Büchern zu suchen. Zwischen Schutt, zerstörten Möbeln und Tischen, von denen nur noch verkohlte Beine übrig waren, lagen ein paar zerfetzte, angesengte Manuskripte herum. Dies war Beweis genug, dass sich die Rominer keine Gedanken um die Wissensschätze gemacht hatten, die unter ihren Füßen lagerten. Sollte dieser Turm jemals ein Buch enthalten haben, das ihnen weiterhelfen konnte, dann befand es sich aller Wahrscheinlichkeit nach immer noch hier.
Zwar waren sie noch längst nicht am Ziel angelangt, aber es gab Grund zu hoffen. Mit neuer Zuversicht stiegen sie ins nächste Geschoss hinab und durchstreiften neugierig den Raum. Hier hatte der Brand weniger stark gewütet, und alles war viel besser erhalten. Der Treppe gegenüber standen Regale, die noch
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