Die Götter - Die Macht der Dunkelheit - Grimbert, P: Götter - Die Macht der Dunkelheit - Les Gardiens de Ji, Tome 3: Le deuil écarlate
fast völlig intakt waren und sich unter der Last uralter, längst vergessener Schriften bogen. In den Erben regte sich Hoffnung. Wenn sie Glück hatten, waren die unteren Geschosse, die sie am meisten interessierten, noch vollkommen unversehrt …
Najel, der es eilig herausfinden wollte, lief als Erster auf die nächste Treppe zu. Er wusste, dass er Zejabel und seine Schwester vorgehen lassen musste, hielt es aber für ungefährlich, sich der Tür schon mal zu nähern.
Noch während ihm dieser Gedanke durch den Kopf ging, hielt er plötzlich inne und erstarrte.
Ein bleiches Wesen schwebte durch die Dunkelheit auf ihn zu und versperrte ihm den Weg.
Maara sah ihrem Bruder sofort an, dass etwas nicht stimmte. Schneller als der Blitz eilte sie mit gezückter Lowa an seine Seite. Als sie den Geist sah, zögerte sie nur einen winzigen Augenblick. Dann biss sie die Zähne zusammen und stellte sich zwischen ihren Bruder und das Gespenst, entschlossen, kein Fußbreit zu weichen.
Im nächsten Moment hatten auch die anderen das Wesen bemerkt. Einige schrien überrascht auf, die meisten aber richteten sogleich ihre Waffe auf die schemenhafte Gestalt, die sacht in der Luft tanzte. Die Kriegerin ließ sie nicht aus den Augen und wagte nicht einmal zu blinzeln. Zwar hatte das Gespenst bisher noch keine feindlichen Absichten bekundet, aber die Erben wussten nur zu gut, wozu Geister imstande waren. Allein seine Anwesenheit gebot äußerste Vorsicht.
Der Umriss des Geists war verschwommen und veränderte sich ständig. Nur einige Merkmale blieben gleich: Das Wesen war sehr groß, in jedem Fall größer als ein Mensch, und hatte zwei Gliedmaßen, die an Arme erinnerten und Krallen als Extremitäten hatten. Der Kopf wiederum wies drei Schlitze auf, von denen der längste ein Mund voller scharfer Fangzähne war.
» Nicht bewegen«, flüsterte Damián.
» Sehr witzig!«, stieß Maara hervor.
Nach Lachen war ihr allerdings nicht zumute, vor allem nicht, wenn sie daran dachte, wie wenig ihre Waffen gegen diesen schemenhaften Körper ausrichten konnten. Trotz Damiáns Warnung folgte sie einem Impuls und näherte sich dem Geist mit der Laterne. Dieser blieb zunächst regungslos, wich dann aber zur großen Befriedigung der Kriegerin in die Dunkelheit zurück.
» Habt ihr das gesehen?«, rief Maara den anderen zu. » Sie haben Angst vor …«
Sie konnte den Satz nicht beenden. Der beißende Geruch, der den Ort erfüllte, wurde plötzlich übermächtig. Im Bruchteil einer Dezille hatte der Geist die Farbe gewechselt und schoss, eitrig gelb schimmernd, auf sie zu. Reflexartig hob die Wallattin den linken Arm und vergaß dabei, dass sie gar nicht ihr Schild in der Hand hielt, sondern die Laterne. Das Licht erlosch bei dem Angriff des Gespensts, und auf Maaras Unterarm erschienen drei blutende Kratzer. Sie ließ sich jedoch nichts anmerken und ging blitzschnell zum Gegenangriff über. Ihre Lowa traf auf etwas Weiches, von der Beschaffenheit eines Getreidesacks, und sie hatte das Gefühl, als würde sie durch ihren Gegner hindurchstoßen … Der Geist hatte sich aufgelöst und tauchte hinter ihr wieder auf.
Die Kriegerin spürte den fauligen Atem im Nacken und rechnete damit, jeden Augenblick von dem abscheulichen Monster in Stücke gerissen zu werden. Zum Glück waren ihre Kameraden auf der Hut und reagierten nun ihrerseits auf den Überraschungsangriff des Geists. Kaum hatte dieser wieder Gestalt angenommen, durchbohrten ihn auch schon Zejabel und Damián mit Speer und Rapier. Danach war der Kampfgeist des Gespensts offenbar erschöpft. Es nahm wieder eine neblige Beschaffenheit an, fauchte wütend und verschwand im Boden.
Die Erben blieben noch ein paar Augenblicke in Alarmbereitschaft, aus Angst, dass das Gespenst sie bei den Füßen packen oder mit Verstärkung zurückkehren würde. Maara ließ als Erste ihre Waffe sinken und begann im Licht von Josions Laterne, ihre Kratzer zu untersuchen. Die Wunden waren zum Glück nicht tief, schmerzten aber stark, und die Ränder waren gelb verfärbt, weshalb die Prinzessin sie so schnell wie möglich reinigen wollte. Während sie mit Zejabels Hilfe Salbe auftrug und einen Verband anlegte, sprachen die anderen über den Vorfall.
» Anscheinend hat das Verschwinden des Karu den Gespenstern nicht sonderlich geschadet«, begann Josion.
» Wir wissen noch gar nicht, wie viele es sind«, wandte Damián ein. » Vielleicht war das hier das einzige Gespenst, das übrig geblieben ist.«
» Aber
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