Die Götter von Freistatt
Das letzte, was sich ein normaler Bürger dort wünscht, ist, etwas mit Göttern zu tun zu haben. Wenn sie beten, dann nur, um sich die Götter vom Leib zu halten. Wir haben Tempel für zumindest zwei Hauptpantheons, und wer weiß wie viele Priester. Ich zumindest blicke da nicht durch. (9)
Dann ist da die Frage, wie es mit den Zahlungsmitteln beschaffen ist - oder warum wir das Ganze DIEBESWELT nennen.
Da niemand weiß, wie es mit der Währung aussieht, haben die Bürger wohl keine andere Wahl, als einander zu bestehlen. Wir sind uns so in etwa einig, daß es Kupfer-, Silber- und Goldmünzen gibt - aber wir haben keine Namen dafür und kennen ihren Nennwert nicht. Wir sagen: ein paar Kupfermünzen, oder wenn wir genauer sein wollen:, neun rankanische Goldkronen - nur für den Fall, daß jemand über Goldkronen schreibt, die nicht in Ranke geprägt wurden. Aber wie viele Kronen auf einen Shaboozh gehen - oder müßte es andersherum sein? - wer weiß das schon?
Eines Tages werde ich einen Geldverleiher für die Stadt erfinden. Geldwechsel in Freistatt dürfte sich als Kunst erweisen. Aber das wird auch nichts nutzen. Bürger und Autoren werden gleichermaßen Gründe finden, meinen Geldverleiher nicht aufzusuchen. Sie werden sich ihre eigenen Wechselkurse ausdenken. Der Prinz wird die Währung entwerten. Vashanka wird 5-Cent-Stücke mit Indianerkopf in seinen Tempel spucken. Doch davon werde ich mich nicht abhalten lassen. Wenn der Herausgeber mir nicht sagt, wie die Dinge sein sollen, muß eben ich es ihm sagen!
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(9) Wir wollen versuchen, dem im folgenden Artikel abzuhelfen. (Anm. d. Red.)
Die Götter von Freistatt
Wir können die Götter von Freistatt in drei Gruppen oder Kreise unterteilen. Der erste Kreis umfaßt die alten Götter von Ilsig, die Götter, unter denen die Stadt gegründet wurde und die von den Freistättern im geheimen immer noch angebetet werden. Der zweite Kreis umfaßt die Götter von Ranke, das Pantheon der Eroberer, die heute in Freistatt regieren. Der dritte Kreis schließlich enthält eine Reihe von kleineren Göttern und Kulten, die in keine der beiden anderen Gruppen gehören und gewissermaßen neben ihnen existieren.
Der erste Kreis
An erster Stelle des alten Pantheons stehen Ils mit den tausend Augen und Shipri, die Allmutter. Ils ist ein Gott des Wissens und der Weisheit, der seine Feinde nicht durch den Einsatz von Gewalt besiegt, sondern indem er sie irreführt und austrickst. Er hat, obwohl er die Rolle des Göttervaters innehat, etwas von dem »trickster« der indianischen Mythologie an sich, ein Gott der Diebe und der kleinen Leute, zu dessen Klugheit aber auch eine gehörige Portion von jener Bauernschläue gehört, die weiß, wann das Korn zu säen und zu ernten ist.
Ils’ Gemahlin und Mitherrscherin ist Shipri Allmutter. Sie ist eine Fruchtbarkeitsgöttin, die vor allem von den Frauen verehrt wird, die Kinder haben oder welche bekommen möchten. Sie verfügt auch über Heilkräfte.
Der nächste Gott ist Anen, der Gott des Korns und Bieres. Zu seinem Kult gehört vermutlich auch eine Art von rituellem Kannibalismus, bei dem der Gott in Gestalt von neuem Bier und Gerstenbrot verzehrt wird. Auch er ist eine Art von Fruchtbarkeitsgottheit, aber vom männlichen Typus des Sonnenhelden, dessen Leben und Tod an den Lauf der Jahreszeiten gebunden ist und der in jedem Jahr aufs neue stirbt -oder geopfert wird -, um im Frühling wiederaufzuerstehen.
Eshi, Anens Weib, steht für die andere Seite der Fruchtbarkeit. Sie ist die Göttin der Sinnlichkeit und Sinnenfreude; ihre Hilfe nehmen Frauen in Anspruch, die einen Mann zu verführen suchen. Das soll nicht heißen, daß ihr Dienst von vornherein unmoralisch sei; Sinnlichkeit kann bei ihr auch zur Ehe führen, und auch verheiratete Frauen suchen ihre Gunst. Für Eshi hat dies freilich wenig Belang.
Die nächste Generation der Kinder Ils’ sind Thufir und Thilli. Thufir ist der Gott der Händler und Reisenden; er ist der Gott der Wege und Straßen, der Verbindungen herstellt, die die Menschen zueinander führen und die einzelnen Häuser und Dörfer zu einem Reich vereinen. Er wird vor allem von den Kaufleuten angerufen.
Thilli ist die Herrin des heimischen Herdes, die Göttin der Familie, der ruhende Pol, zu dem alle Wege hinführen.
Die letzte Generation der Götter wurde geboren, als aus Dörfern Städte wurden. Shalpa der Flinke ist der Gott der Diebe und Ausgestoßenen, ein geringerer Aspekt von Ils. Er ist immer in
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