Die Goldhaendlerin
verbohrt, dass es einem Sohn schwer fallen würde, die ihm gebührende Freude in seinem Vater zu wecken. Bei diesem Gedanken schüttelte Don Manuel den Kopf. Nein, Orlando würde sich gewiss auch über einen Knaben freuen. Noch während er darüber nachdachte, welchen der vielen Namen beiderlei Geschlechts, die Lea und Orlando überlegt hatten, für seinen ersten Enkel oder seine erste Enkelin passend wäre, kam Jochanan herein. An seinem Gesicht war zu erkennen, dass er mit seiner Herrin litt. Er blickte scheu nach oben, doch die Türen dort waren alle fest verschlossen, und keine der Frauen des Haushaltes ließ sich sehen. Erst, als er hilflos die Hände ringen wollte, erinnerte er sich an das in festes Leinen gehüllte Paket, das er wie einen Feind gepackt hatte, und wandte sich Orlando zu.
»Das hat eben ein Bote gebracht. Es soll aus Spanien kommen.«
»Aus Spanien?« Orlando sah verwundert auf, ergriff dann das Paket und schnitt die Umhüllung mit dem scharfen Messer auf, das Jochanan ihm reichte. Schließlich hielt er mehrere kleine Säckchen, ein kleines Kästchen und etliche dicht beschriebene Blätter in der Hand. Als er zu lesen begann, kratzte er sich verwundert am Kopf, wurde dann aber von der Lektüre derart in ihren Bann gezogen, dass er alles um sich herum vergaß. Erst nach einer Weile merkte er, wie still es im Haus geworden war. Voller Sorge drehte er sich zu seinem Vater um, der ihn mit einem seltsamen Lächeln musterte.
»Nun mein Sohn, du dürftest wohl der erste Ehemann sein, der die Geburt seines Erben verpasst hat.«
»Was?«, rief Orlando verdattert. »Lea hat …«
»Dir einen Sohn geschenkt«, unterbrach Don Manuel ihn lachend. »Hattest du etwas anderes erwartet? Du weißt doch, es geht immer nach ihrem Kopf. Sie wollte einen Knaben, also hat sie ihn auch bekommen.«
Orlando hörte ihm schon nicht mehr zu, sondern raste die Treppe hoch, um zu Lea zu kommen. Fast schon oben angekommen, hielt er inne, kam noch einmal herab und ergriff das eben eingetroffene Schreiben und das Kästchen und machte sich erneut auf den Weg. Sein Vater wunderte sich und winkte Jochanan heftig, ihm nach oben zu helfen. Als sie Leas Zimmer erreichten, kniete Orlando neben ihrem Bett und hielt die Hände seiner Frau in den seinen. Sein Blick wanderte von ihr zu dem Kind, das Sarah eben in warme Tücher wickelte, und wieder zurück.
»Es tut mir Leid, dass es keine Tochter geworden ist, Orlando«, sagte Lea eben etwas kläglich.
Orlando schüttelte lächelnd den Kopf. »Dummchen, ich bin doch genauso glücklich über unseren Sohn.«
Lea erwiderte sein Lächeln. »Beim nächsten Mal wird es eine Tochter, das verspreche ich dir.«
»Ganz gewiss«, stimmte ihr Don Manuel zu und tippte Orlando dann mit seinem Gehstock an. »Nun, was hast du für eine so wichtige Botschaft erhalten, dass sie dich selbst die Geburt deines Sohnes vergessen machte?«
Orlando stand auf und wedelte mit einem der Blätter vor Leas Gesicht herum. »Du wirst es nicht glauben, von wem dieser Brief stammt. Er ist an einen Léon de Saint Jacques gerichtet und wurde über das Bankhaus Eelsmeer und Deventer an uns weitergeleitet.«
»Los, sag schon!«, rief Lea drängend.
Orlando öffnete das kleine Kästchen, brachte einen daumengroßen Gegenstand aus Gold zum Vorschein und reichte ihn Lea. Es war die Figur eines Menschen, aber von so einer seltsamen Art, wie Lea sie noch nie gesehen hatte.
»Es ist ein Geschenk von Don Cristobal Colon an einen Freund, der ihm Mut zusprach in dunklen Stunden.«
»Ich kenne keinen Colon«, antwortete Lea verständnislos. Orlandos Lächeln verstärkte sich. »Du hast ihn als Cristoforo Colombo kennen gelernt. Er hat Indien erreicht und ist als hochgeehrter Mann nach Spanien zurückgekehrt. Dieses Schmuckstück enthielt er der Königin vor, um es dir, oder besser gesagt, Léon de Saint Jacques zu schenken.«
»Er hat es also geschafft. Ich freue mich für ihn!«, Leas Gedanken flogen zu dem genuesischen Kapitän, der nie aufgegeben hatte, an sein Ziel zu glauben.
»Das Schmuckstück ist noch nicht alles, was er dir geschickt hat. Die anderen Dinge sind wohl nicht so viel wert, aber gewiss sehr interessant und selten.«
»Ich will sie sehen«, bettelte Lea. Orlando wollte schon das Zimmer verlassen, um alles zu holen, doch da trat ihm seine Mutter in den Weg.
»Das hat bis morgen Zeit. Jetzt muss Lea sich um unseren kleinen Samuel kümmern, und danach sollte sie ein wenig ruhen.«
»Aber …«,
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