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Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Goldspinnerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerit Bertram
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setzte sich im Bett auf.
    Lynhard legte die Hand auf ihren Arm, doch Cristin wehrte ihn ab und schmiegte sich an Lukas, der sie mit schmalen Lippen betrachtete.
    »Ich streite nicht mit dir, Weib. Du bleibst liegen«, presste er hervor und drückte sie wieder in die Kissen. »Wie bin ich nur an so ein starrköpfiges Frauenzimmer geraten?«, meinte er an Lynhard gewandt, der die Szene erheitert verfolgte.
    »Du hast deine Frau eben nicht im Griff, Bruderherz. Da lobe ich mir meine Mechthild. Sie hört auf mich und macht mir keinerlei Probleme.«

5
     
    A ls die Männer endlich die Schlafkammer verließen, starrte Cristin mit zu Schlitzen verengten Augen an die Zimmerdecke. Was bildeten die beiden sich eigentlich ein, sie wie ein unreifes Kind zu behandeln? Sie war eine erwachsene Frau und wusste sehr genau, was sie tat. Das Blut schoss ihr in die Wangen. »Du hast deine Frau nicht im Griff«, äffte Cristin die Stimme ihres Schwagers nach und schlug mit der flachen Hand auf die Bettdecke. Jedermann schätzte Lynhard, als Geschäftsmann ebenso wie als liebenden Vater und Ehemann. Wie hielt Mechthild es nur an der Seite eines so hoffärtigen Mannes aus? Wie eine Klette hing sie an ihm und schaute immer, dass sie ihrem Gatten nur ja alles recht machte. Und wenn er sich ihr gegenüber mal streng verhielt, trottete Mechthild wie ein geprügelter Hund davon. Da war ihr Lukas ganz anders.
    »Ich bringe Euch warme Milch, die wird Euch guttun«, wurden Cristins Gedanken von Mirke unterbrochen, die soeben den Raum betrat und ein Tablett, beladen mit einem Krug, einem Becher sowie einer Schale Gebäck, auf dem Bett abstellte. »Danke, Mirke. Kommt ihr voran?«
    »Ja, macht Euch keine Sorgen. Minna läuft wie ein Büttel in der Werkstatt herum und passt auf, dass alles zu Eurer Zufriedenheit läuft.«
    »Das kann ich mir denken«, lachte Cristin. »Morgen bin ich wieder da.«
    »Frau Bremer …« Mirke räusperte sich. »Der Herr … er hat uns die Anweisung erteilt, Euch nicht vor übermorgen wieder in die Werkstatt zu lassen.«
    Cristin schnappte nach Luft und wollte etwas erwidern, legte sich dann aber in die Kissen zurück. Sie seufzte. Mirke schloss leise die Tür und ließ sie allein. Sie nippte an der heißen Milch. Was sollte sie nur so lange mit sich anfangen? Nach kurzem Grübeln hellte sich ihre Stimmung auf. Sie erhob sich, holte das zusammengefaltete Pergament, die kleine Wachstafel und den Griffel aus einem Schrank nahe dem Kamin und schlüpfte wieder unter die mit Daunen gefüllte Bettdecke. Wenn jemand hereinkommen sollte, würde sie die Schreibutensilien schnell darunter verstecken. Sie befeuchtete ihren Mund, während sie die geschmeidige Tierhaut auseinanderfaltete und auf der Decke ausbreitete. Wie schön es wäre, mühelos lesen zu können! Wenn ich nur an andere Schriften herankommen könnte, überlegte sie und nahm den Griffel zur Hand. Ob es auch Dokumente über Medizin und Heilmethoden hier in der Nähe gab? Lukas könnte sie besorgen, wenn sie ihn darum bat. Lediglich das, worauf sie besonders erpicht war, würde sie nicht in diesen Schriften finden.
    Ich muss wissen, ob andere Menschen ähnlich eigenartige Dinge erleben wie ich, schoss es ihr erneut durch den Kopf. Könnte dies das Geheimnis der Hexen sein? Jener Frauen, die im Verdacht standen, mit dem Leibhaftigen im Bunde zu sein? Es hieß, diese Frauen würden des Nachts nackt im Wald herumlaufen. Angeblich konnten sie fliegen und trafen sich an Walpurgis mit dem Teufel im Bodetal des Harzes, wo sie Menschen töteten und ihr Fleisch aßen. Cristin schüttelte sich unwillkürlich. Mechthild hatte ihr davon erzählt, doch sie redete viel, wenn der Tag lang war. Oder war es möglich, dass in dem, was Mechthild über Hexen erzählte, ein Körnchen Wahrheit steckte, und sei es noch so klein?
    Lukas würde sie schelten, wenn er wüsste, was ihr durch den Kopf ging. Gedankenverloren wickelte sie sich eine Haarsträhne um den Finger. Und wenn doch? Vielleicht kannten diese Frauen auch das Gefühl, wenn sie die Hände auf einen Kranken legten, dessen Schmerz teilten und die Beschwerden lindern konnten? Sie stockte. Dann war es auch denkbar, dass diese Frauen ganz und gar nicht böse waren, sondern einfach nur anders . So wie sie selbst. Es geschah stets unvorbereitet, meistens bei einer zufälligen Berührung. Manchmal hatte sie dann für einen winzigen Moment das Gefühl, in den Körper des anderen hineinsehen zu können. Cristin erkannte, wenn die

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