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Die Gordum-Verschwörung

Die Gordum-Verschwörung

Titel: Die Gordum-Verschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Flessner
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alles Mögliche eingesetzt, Landmeilen, Kilometer, englische Meilen, was ihnen eben so in den Sinn gekommen ist.“
    „Kannst du mir sagen, wo das Versteck liegen könnte?“
    „Nee, beim besten Willen nich. Wenn diese Wellenlinie hier tatsächlich die Küste is, also unsere Küste, würde ich sagen: im Watt. Das G, also das Versteck, is im Watt. Aber selbst, wenn ich wüsste, was P und K zu bedeuten haben – wo G liegt, könnte ich dir dann immer noch nicht sagen.“
    „Und wenn du raten müsstest?“
    „Blind?“
    „Blind!“
    „Tja, was sind gute Landmarken ...?“ Der Kapitän überlegte, die Karte nicht aus den Augen und sich viel Zeit lassend. „P könnte der Pilsumer Leuchtturm sein. Und K? Vielleicht Knock. Das Schöpfwerk an der Knock mit dem Denkmal vom alten Fritz. Ja, das könnte es sein. Noch een Kopke Tee?“
    „Aber genauso gut könnte es auch etwas ganz anderes sein, oder?“, vermutete Greven und fuhr sich dabei mit den Fingern durch seine Bartstoppeln, nach wie vor die Zeichnung fixierend. „Ja“, antwortete Greven nach einer kurzen Pause, die er benötigte, um die ihm vertraute Küstenlinie des westlichen Ostfrieslands mit Harms Karte in Deckung zu bringen, „ich trinke gerne noch eine Tasse Tee.“
    Während der Fahrt nach Emden, der etwa zwanzig Kilometer entfernt liegenden Hafenstadt, spielte Greven wieder und wieder die verschiedensten Tathergänge durch. Doch welche Version er auch wählte, die Frage, ob der Täter das gesucht, was er gestern gefunden hatte, oder ob es ihm um ein ganz anderes Objekt gegangen war, konnte er nicht beantworten. Wie auch immer, nach seiner erneuten Suche auf dem Kutter hatte der Täter Feuer gelegt, um mögliche Spuren zu verwischen, oder eine weitere Suche, vor allem die der Polizei, zu verhindern. Dessen war sich Greven sicher. Unsicher war er sich jedoch darüber, falls er mit seinem Fund dem Täter zuvorgekommen war, ob jener dies ahnte oder gar bemerkt hatte.
    Emden hatte nach Grevens Ansicht nicht das Flair anderer ostfriesischer Städte wie Aurich oder Leer. Um in die Brückstraße zu gelangen, musste man mitten durchs Rathaus der Stadt. Der Torbogen, der diesen Weg ermöglichte, stammte noch von dem Vorgängerbau, einem imposanten Renaissance-Gebäude aus dem späten 16. Jahrhundert. Am 6. September 1944 war es mitsamt den meisten anderen Häusern der Innenstadt einem massiven alliierten Bombenangriff zum Opfer gefallen. Nur das Tor und die Grundmauern waren übriggeblieben. Beim Wiederaufbau nach dem Krieg hatte man sie in das klotzige und nun schmucklose Gebäude integriert. War auf alten Fotografien ein architektonisches Meisterwerk zu sehen, das Fantasie, Wärme und Selbstbewusstsein ausstrahlte, stand Greven heute vor einer nach rationalen Kriterien entworfenen Nachkriegsfassade, deren Fenster sich um weiter nichts bemühten, als Tageslicht ins Innere zu leiten. Die Ästhetik vergangener Jahrhunderte war dem Rathaus ausgetrieben worden, und das nicht nur mittels alliierter Bomben.
    Bald fand Greven den kleinen Eckladen, dessen Schaufenster kaum etwas zu bieten hatte. Ein paar aufgeschlagene Kataloge, deren Abbildungen vom Sonnenlicht längst verblichen waren, einige Briefmarken unter Folie, philatelistische und numismatische Fachliteratur, Sammelordner und dazu passende Seiten aus durchsichtigem Kunststoff und ein paar wertlos aussehende Münzen. Kaum einer der zahlreichen Fußgänger, die allesamt die Innenstadt im Sinn zu haben schienen, würdigte den kleinen Laden auch nur eines Blickes. Wer ihn betrat, suchte ihn gezielt auf, wie Greven. Die unscheinbare Nachkriegstür schlug beim Öffnen eine kleine Glocke an. Selten geworden, schmunzelte Greven. Trotz des mahnenden Glockenklangs ließ sich der Inhaber des kleinen Fachgeschäftes Zeit. Greven hatte die Auslagen bereits zweimal gemustert, ehe er sich schlurfend in ausgetretenen Filzpantinen näherte, ein Mann um die sechzig, vielleicht älter, deutlich kleiner als Greven, der einszweiundachtzig aufbieten konnte. Er trug eine dunkelgrüne Strickjacke, eine graue Krawatte und eine Krankenkassenbrille mit einem museumsreifen Gestell.
    Greven stellte sich bewusst nicht vor, sondern mimte den Gelegenheitssammler ohne große numismatische Kenntnisse. Wie beim alten Ysker ging er direkt auf sein Ziel los: „Können Sie mir etwas über diese Münze sagen?“ Er zog sie zusammen mit seinem Kleingeld aus der Tasche und legte sie auf den grünen Samt des Tresens.
    Herr Jacobs, der Inhaber, wog

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