Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Gordum-Verschwörung

Die Gordum-Verschwörung

Titel: Die Gordum-Verschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Flessner
Vom Netzwerk:
Anspruch nehmen. Interessant ist vielleicht Folgendes: Am vergangenen Mittwoch, also vier Tage vor dem Mord, ist Claasen so gegen 22 Uhr im Hafenkieker aufgetaucht. Dort hat er sich nur sehr selten blicken lassen. Er soll angetrunken oder bekifft gewesen sein und bester Laune.“
    „Ja“, bestätigte Ackermann, eine Dauerleihgabe des Rauschgiftdezernates, „Gesine Oltmanns, die wohl zu den wenigen hiesigen Freunden Claasens gehört hat, sagte mir, dass Claasen sogar eine Lokalrunde spendiert hat. Er habe einen Grund zum Feiern, soll er gesagt haben, denn er werde schon bald berühmt sein, berühmt und reich. Alle würden sich noch wundern. Aber was ihn berühmt und reich machen sollte, das hat er nicht verraten. Nach einer guten Stunde ist er wieder gegangen. Diese Aussage haben auch zwei weitere Zeugen bestätigt.“
    „Das war es eigentlich auch schon“, schmatzte Jaspers, der dabei war, sich in ein Stück Salzwiesenlamm in Kräuterkruste einzuarbeiten.
    „Gut“, nickte Greven, „für einen Vormittag ist das gar nicht so schlecht. Wir bleiben also dran. Peter, du befasst dich intensiv mit Janssen und diesem Holländer, und ihr kümmert euch weiterhin um Claasens letzte Tage und Stunden. Den Vorfall im Hafenkieker sollten wir uns genauer ansehen. Stellt eine Liste mit allen Anwesenden zusammen. Schließlich ist sein Kutter mindestens einmal durchsucht worden. Vielleicht wollte jemand anderes berühmt und reich werden.“
    „Oder verhindern, dass Claasen berühmt und reich wird“, warf Jaspers ein.
    „Und, was war bei dir?“, fragte Häring mit skeptischem Blick.
    „Nicht viel“, verbog Greven die Wahrheit, „der alte Ysker hat nur das Bild bestätigt, das ich von Harm habe. Er war ein Einzelgänger, ein Freak. Auch in den letzten Jahren, in denen ich ihn nicht mehr gesehen habe. Das macht die Lösung nicht unbedingt leichter.“ Dann wandte er sich voll und ganz den Heringen zu, allen unappetitlichen Schlagzeilen über den Matjesmörder zum Trotz.
    Nach dem Essen trennten sich die Weg der vier Ermittler, jeder mit anderen Aufgaben versehen. Greven hatte sich aus dem reichhaltigen Angebot eine weitere Befragung von Gesine Oltmanns gesichert, die er, wie Harm, von früher kannte, auch wenn sie damals nicht zur Clique gehört hatte.
    Ein leichter Sommerregen setzte ein und füllte schlagartig die Teestuben und Souvenirläden. Das Gedränge auf den Straßen verlagerte sich ins Witthus , die Töönbank oder Poppingas Alte Bäckerei . Greven nutzte dieses unerwartete Angebot, inhalierte die frische Luft und wählte einen Umweg, den er seinem Knie zumuten konnte. Der Regen wusch das Kopfsteinpflaster und die Klinker. Seit vielen Jahren war er nicht mehr in Greetsiel gewesen, jedenfalls nicht zu Fuß.
    Unwillkürlich begann er zu fahnden. Nicht nach Tätern, sondern nach Bildern, die er wieder auffinden wollte, suchte nach Hausecken, um die er als Kind geschlichen war, suchte Mauern, hinter denen er sich versteckt hatte, Pfützen, in die er gesprungen, Bäume, auf die er geklettert war. Er suchte die Schmiede vom alten Constapel, die Scheune von Meener Rah, in der er mal Cowboy, mal Indianer gewesen war, mit Federn vom Misthaufen und Pfeil und Bogen von der Weide hinterm Haus, geschnitzt mit einem mühsam vom Rost befreiten, am Deich gefundenen Taschenmesser. Irgendwann hatte er es wieder verloren, oder es war ihm gestohlen worden. Weinend war er nach Hause geflüchtet. Zum Deich. Dort hatten sie gewohnt. Bis seine Eltern nach Norden gezogen waren. Das Haus hatten sie verkauft. Heute hieß es Wattblick und beherbergte vier Ferienwohnungen. Da das Haus hinterm Deich stand, war es selbst vom Dachfenster aus nicht möglich, das Watt zu sehen. Oft genug hatte Greven es als Kind versucht.
    Er suchte den Kolonialwarenladen von Wolter Janssen, in dem man hatte so gut wie alles kaufen können, vor allem Nägel, gemischte Nägel für fünfzig Pfennige, die die Bedienung aus grauen Kartons auf eine Waagschale geschüttet hatte, und Laubsägeblätter, Drachenschnur, Packpapier, Zitronenbonbons aus großen Gläsern, Fahrradflickzeug, Juckpulver, Lassoband. Alles Dinge, die er in Kindertagen als überlebenswichtig angesehen hatte. Er suchte den öffentlichen Müllplatz im Osten des Hafens, den besten Spielplatz des Dorfes, reich bestückt mit fast allem, was ein Zehnjähriger gebrauchen konnte. Wie oft hatten ihn seine Eltern vehement vor den hier lauernden Gefahren gewarnt, vor Ratten und Obdachlosen. Wie oft hatte er

Weitere Kostenlose Bücher