Die Gordum-Verschwörung
sie nicht, wie Greven und Mona es getan hatten, sondern ließ sie durch die Finger wandern, betastete sie, drückte sie, reinigte sie vorsichtig mit einem besonderen Tuch, bevor er sie vor seine Brille hielt, machte ein erstauntes Gesicht. Dann gab er das Ergebnis seiner Untersuchung bekannt.
„Ein Groschen.“
„Ich weiß, wie ein Groschen aussieht, auch wenn wir längst mit Cent und Euro zahlen“, murrte Greven. „Diese Münze ist älter, und bestimmt kein Groschen.“
„Oh doch“, korrigierte ihn der Fachmann ruhig. „Dies ist ein Groschen, allerdings ein sehr alter, da haben Sie recht.“ Jacobs nahm eine große Lupe zu Hilfe und referierte, ohne Greven anzuschauen. „Der Groschen geht auf den französischen König Ludwig IX. zurück, auch der Heilige genannt, der im Juli des Jahres 1266 den ersten ‘gros denier’ prägen ließ, das bedeutet ‘dicker Pfennig’. Da er ein relativ hohes Gewicht hatte, nämlich 4,22 Gramm, wurde er auch ‘grossus’ genannt. Aus diesem lateinischen Beinamen ist im deutschsprachigen Raum der Name ‘Groschen’ geworden.“
„Und dies ist ein Groschen von Ludwig IX.?“, fragte Greven.
„Nein“, entgegnete Jacobs, ohne seinen Kopf zu heben. „Zwar war der Groschen so erfolgreich, dass zahlreiche andere Herrscher ebenfalls Groschen prägen ließen, doch waren das durch die Bank weg Silbergroschen, etwa der Prager oder der Mailänder Groschen. Dieser Groschen hier ist aus Gold, aus purem Gold.“
„Und was bedeutet das? Ist er selten, … vielleicht sogar wertvoll?“
„Sein Wert hält sich in Grenzen, ich könnte Ihnen einen fairen Preis machen, sagen wir dreihundert Euro. Einen möglichen Interessenten hätte ich schon.“
„Vielen Dank für Ihr Angebot, aber ich möchte nicht verkaufen. Ich möchte nur etwas über diese Münze erfahren. Ihr Alter zum Beispiel.“
„Wo haben Sie diese Münze her?“, war die langsam und vorsichtig vorgetragene Gegenfrage des Numismatikers, der das Geldstück nicht aus den Augen ließ.
„Spielt das eine Rolle?“, konterte Greven, ebenso vorsichtig.
„Eine große“, sagte Jacobs und hob nun endlich seinen Kopf, um Blickkontakt mit Greven aufzunehmen. „Eine große, denn nur ganz wenige Städte konnten es sich im 13. Jahrhundert leisten, ihre Groschen aus Gold prägen zu lassen. Es muss eine reiche Stadt gewesen sein. Und der Revers, also die Rückseite der Münze, lässt keinen Rückschluss mehr auf die Münzstätte zu. Der starke Abrieb, da ist nicht mehr viel zu erkennen. Sie zeigt wahrscheinlich den heiligen Ambrosius, der auch den Mailänder und den Göteborger Groschen ziert. Wäre die Münze …“
„Sie ist von hier“, gab Greven zu.
„Hier gekauft oder hier … gefunden?“
„Ein … ein Freund von mir hat sie hier irgendwo gefunden … auf einem Acker, beim Pflügen …und sie mir überlassen.“
„Sind Sie ganz sicher?“ Jacobs blickte ihn skeptisch an, betrachtete sein Gesicht, seine Bartstoppeln, sein kariertes Baumwollhemd, seine Jeans, seine ungeputzten Schuhe. Auch schien ihm inzwischen der markante Brandgeruch in die Nase gestiegen zu sein.
„Ganz sicher“, antwortete Greven und sah sich nun doch genötigt, Jacobs seinen Dienstausweis zu zeigen, den dieser erstaunt in Augenschein nahm.
„Diese Münze …“, zögerte er noch immer, „diese Münze könnte, wenn sie tatsächlich hier gefunden worden ist, sie könnte in Gordum geprägt worden sein. Natürlich auch woanders, in Göteborg etwa, aber wenn sie tatsächlich von hier ist, könnte sie aus Gordum sein.“
„Gordum?“
„Ja, Gordum. Haben Sie nie davon gehört? Die versunkene Stadt?“
„Nein“, gestand Greven achselzuckend ein.
„Sie soll hier irgendwo in der Nordsee gelegen haben. Vor siebenhundert Jahren ist sie im Meer versunken, bei einer dieser großen Sturmfluten.“
„Etum sagt mir etwas, Hamswehr, Westeel oder Itzendorf, aber von Gordum habe ich noch nie etwas gehört“, sagte Greven und breitete im Kopf die Karte aus.
„Weil der Beweis immer noch fehlt“, nickte der Numismatiker. „Und wenn die Münze von hier ist, könnte sie … vielleicht … ein Beweis sein.“
„Haben Sie eine derartige Münze schon einmal in Händen gehabt?“
„Tut mir leid“, antwortete der Händler und gab ihm den Groschen zurück. „Ich habe nur irgendwann einmal etwas über Gordum und den Goldgroschen gelesen.“
Sein unverändert skeptischer Blick verfolgte Greven bis zur Tür, die zu dem Klang der kleinen Glocke ins
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