Die Gordum-Verschwörung
Ostfriesischen Inseln gewährt der renommierte Historiker Einblick in seine Forschungsarbeit. Auf rund 300 Seiten liefert von der Laue einen auch dem Laien verständlichen …“ Greven überflog den Rest.
„Das ist mein Mann“, brummte er schließlich.
Mona lächelte und hob stolz ihre Augenbrauen.
7. Kapitel
Pünktlich um neun betrat Greven das schlossähnliche Gebäude der Ostfriesischen Landschaft und baute sich vor der Sekretärin auf, die jeder passieren musste, der das Institut für Ostfriesische Geschichte betreten wollte.
„Herr Dr. von der Laue ist sehr beschäftigt“, wehrte die
Mittdreißigerin mit spitzer Zunge ab, als er seine Bitte vortrug. „Ich kann Ihnen einen Termin in der nächsten Woche geben. Donnerstag um halb vier oder Freitag um elf. Mehr kann ich Ihnen im Moment nicht anbieten.“
„Heute um neun“, entgegnete Greven mit gespielter Freundlichkeit und hielt Kerberos seinen Dienstausweis unter die Nase. Kaum beeindruckt und widerwillig begutachtete die Wächterin des Tores das kleine Kunststoffkärtchen, verglich Grevens Bartstoppeln mit jenen auf dem amtlichen Digitalfoto und nahm schließlich mittels Knopfdruck Kontakt mit ihrem Chef auf. Eine leichte Kopfbewegung sicherte Greven freies Geleit zu.
In von der Laues Büro herrschte akribische Ordnung, wohin das Auge auch sah. Vor allem der fast leere Schreibtisch, den nur ein Laptop, ein Telefon, eine Schreibunterlage, eine antike Plastik und ein paar aufgeschlagene Papiere zierten, beeindruckte Greven, der auf seinem Tisch meist gegen eruptiv angehäufte Akten ankämpfte, ganz zu schweigen von dem sogenannten Arbeitszimmer, das ihm Mona in einem kleinen Raum neben ihrem Atelier eingerichtet hatte. Hingen seine Bücher schlaff und schräg auf den Brettern, so standen diese hier stramm in den Regalen, versehen mit aufgeklebten Ordnungssignaturen und beschrifteten Lesezeichen.
Erst als Greven die riesige Schreibtischplatte aus poliertem Mahagoni erreichte, erhob sich von der Laue, den er trotz seiner jugendlichen Erscheinung, seiner schlanken Figur und seiner beneidenswert vorhandenen Haare auf etwa fünfzig schätzte. Er bot ihm keinen Platz an, sondern machte ein paar Schritte auf ihn zu, gab ihm die Hand und blieb vor dem Schreibtisch stehen.
„Was führt sie zu mir, Herr … Inspektor?“
„Hauptkommissar“, betonte Greven, „Hauptkommissar Greven. Morddezernat.“
„Sie suchen doch nicht etwa einen Mörder bei mir? Hier, in meinem Institut?“, intonierte von der Laue mit piepsiger, freundlicher Stimme, die so gar nicht zu seiner Erscheinung passte. Greven hatte eine tiefere Stimmlage erwartet, Bass oder Bariton.
„Nein, keine Sorge“, antwortete Greven. „Ich benötige nur eine Auskunft und will Sie auch nicht lange aufhalten.“
„Bitte, wenn ich Ihnen helfen kann.“
„Im Zuge einer laufenden Ermittlung sind wir auf den Namen Gordum gestoßen. Angeblich eine versunkene Stadt. Könnten Sie mir ein paar Informationen geben?“
Von der Laue schmunzelte, lachte fast, verlagerte seinen Schwerpunkt und stützte sich mit beiden Händen rücklings auf der Tischplatte ab. „Gordum?“, begann der Experte seinen Vortrag, während Greven seinen kleinen Notizblock in Stellung brachte. „Nun, Gordum ist ein Mythos, einer von vielen übrigens, die sich um versunkene Städte in der Nord- und Ostsee ranken. Denn Gordum ist nicht die einzige Stadt, die von Archäologen, Historikern und Amateurforschern immer wieder mal gesucht wird. Am bekanntesten sind wahrscheinlich Rungholt und Vineta. Ich bin sicher, dass auch Sie schon von diesen Städten gehört haben.“
Greven nickte. „Ja, zumindest von Rungholt. Der NDR hat kürzlich eine Sendung …“
„Rungholt, eine Stadt, nordöstlich von Hamburg in Nordfriesland gelegen, soll in der Marcellusnacht des Jahres 1362, also am 16. Januar, untergegangen sein“, referierte von der Laue. „In einer Sturmflut, die auch als Zweite Marcellusflut oder Erste Grote Mandränke bekannt geworden ist. Sie gilt übrigens als schwerste Sturmflut, die sich in historischer Zeit ereignet hat. Manche Chronisten schildern Rungholt als prosperierende mittelalterliche Handelsstadt, zwar kleiner als Hamburg und Lübeck, aber groß genug, um seine Kaufleute zu reichen Bürgern zu machen. Mit Dänemark und Schweden sollen sie Handel getrieben haben, mit dem Rheinland und dem Emsland. Doch auf welche Quellen stützt sich diese Annahme?“
Von der Laue richtete diese Frage an Greven wie an
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