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Die Gordum-Verschwörung

Die Gordum-Verschwörung

Titel: Die Gordum-Verschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Flessner
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die Kartographie halbwegs akzeptable Karten hervorbrachte, waren Burchana und Gordum längst versunken. Nur Bant ist auf den ersten Karten des 15. und 16. Jahrhunderts verzeichnet, etwa auf denen des Enkhuizer Hydrographen Lucas Jansz Waghenaer. Von ihm stammt auch die einzige erhalten gebliebene Vertonung von Bant.“
    „Vertonung?“
    „Seitenansicht. Doch das Problem ist ein ganz anderes.“
    „Nämlich?“
    „Himel von Torum. Der Autor der Historiae obscurae .“
    „Wie soll ich das verstehen?“
    „Über ihn ist so gut wie nichts bekannt. Außerdem weicht er in etlichen Punkten deutlich von der, sagen wir mal, offiziellen Geschichtsschreibung ab. Die eine oder andere Behauptung, die er in seinem Werk aufstellt, hat sich längst als reine Fiktion offenbart. Auch kann er seine These, Gordum sei mit der römischen Hafenstadt Gortunis identisch, durch nichts belegen. Mit anderen Worten, Himel von Torum, wer immer er gewesen sein mag, ist mit großer Wahrscheinlichkeit ein Scharlatan, ein Phantast, ein Münchhausen seiner Zeit. Nirgends findet sein Name Erwähnung, bei dem es sich zweifelsfrei um ein Pseudonym handelt. Der wahre Verfasser der Historiae obscurae ist unbekannt.“
    „Und Gordum?“
    „Ist eine Fiktion, ein Mythos, eine Legende. Auch hier teilt sie das Schicksal von Rungholt und Vineta.“
    Nur widerwillig nahm Greven dieses fachkundige Urteil an, kritzelte nachdenklich auf seinem Block herum und wagte schließlich noch einen Versuch.
    „Bestimmt befindet sich das Buch von diesem Himel von Torum in Ihrer Bibliothek. Könnte ich es … einmal sehen?“
    „Es tut mir leid“, piepste von der Laue, der nicht mehr durch den Raum wanderte, sondern sich neben seinen Schreibtischstuhl gestellt hatte, „doch ist dieses Werk eine absolute Rarität, so dass die Ostfriesische Landschaft leider kein Exemplar besitzt.“
    „Wissen Sie, wer ein Exemplar besitzt?“
    „Das einzige mir bekannte Exemplar steht in der Johannes a Lasco Bibliothek in Emden. Wären Ihre Fragen damit beantwortet? Ich habe nämlich noch einen dringenden Termin.“
    „Eine kleine, ein wenig spekulative Frage zum Abschluss, dann lasse ich Sie in Ruhe.“
    Von der Laue nickte.
    „Wenn jemand, allen Mythen und Legenden zum Trotz, irgendwo im Watt auf Gordum stoßen würde? Wenn sich herausstellen würde, dass die Stadt doch existiert hat?“
    „Das wäre allerdings eine echte Sensation. Die Geschichte Ostfrieslands, und nicht nur die, müsste dann neu geschrieben werden.“
    „Und der Entdecker?“
    „Würde als solcher in die neu zu schreibende Geschichte eingehen. Aber geben Sie sich diesbezüglich keinen Gedankenspielen hin. Gordum ist und bleibt ein Mythos. Kein Archäologe wird sie daher jemals finden.“
    „Ich danke Ihnen sehr“, verabschiedete sich Greven, dem von der Laues wachsende Unruhe und Blicke auf seine Uhr nicht entgangen waren. Wortlos ließ ihn die Sekretärin passieren, seinen freundlichen Gruß nicht erwidernd. Stattdessen drückte sie hinter seinem Rücken den Knopf der Wechselsprechanlage und erinnerte ihren Chef mahnend an den nächsten Termin, der kaum mehr einzuhalten sei. Noch in der Tür suchte Greven nach einem passenden Schimpfwort, fand aber keines.
    In seinem Büro in der Polizeiinspektion, einen Spaziergang von der Ostfriesischen Landschaft entfernt, sank Greven frustriert in seinen Sessel, betrachtete die Aktenberge auf seinem Schreibtisch und ließ seine rechte Hand mit dem Goldgroschen spielen. War er noch immer eine Spur, die zu verfolgen sich lohnte? Konnte er noch immer den Weg zum Mörder aufzeigen? Oder war er dem Faible seines Schulfreundes für Mysterien aufgesessen, für Hobbits, Kornkreise und Pyramidenrätsel? Eine Münze vager Herkunft, eine fast beliebig interpretierbare Zeichnung, beides versteckt im Cover einer Jimi-Hendrix-Schallplatte, mehr oder minder zufällig von ihm gefunden, eine versunkene Stadt, deren Existenz ein namhafter Experte fundiert anzweifelte, Harms Ankündigung, berühmt zu werden – immer verwegener schienen ihm die Abläufe und Motive, die er aus diesen Indizien konstruieren wollte. Wer weiß, was er gefunden und zu konstruieren versucht hätte, wenn er in Creams Wheels of Fire oder Absolutely Live von den Doors nachgesehen hätte? Die Adresse eines Wünschelrutengängers? Eine weitere Karte, ähnlich gezeichnet, aber diesmal die exakte Lage von Osgiliath aufzeigend?
    Greven stützte seine Ellbogen auf der Tischplatte ab, schloss die Augen und übergab

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