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Die Gordum-Verschwörung

Die Gordum-Verschwörung

Titel: Die Gordum-Verschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Flessner
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sich in dem angrenzenden Schilfwald verlaufen, war mit seinen Stiefeln im Schlick versunken und irgendwann auf Socken heimgekehrt. Wie viele Stiefel der Schilfwald wohl im Laufe der Jahre gefressen hatte?
    Er suchte die Sielmauer, den allabendlichen Treffpunkt der Clique, wo man, auf dem grünen Geländer oder den Betonplatten sitzend, den Tag verabschiedete, schwarzes Vinyl austauschte, Zigaretten drehte, sich darin gefiel, den konservativen Bürgern des Dorfes nicht zu gefallen.
    Er suchte einen Schweinestall, in dem er die Sau Else regelmäßig mit alten Pausenbroten und Eicheln versorgt hatte. Doch in den Stallgebäuden seiner Kindheit hielten die heutigen Besitzer Touristen. Das war profitabler und machte nicht so viel Dreck. Neue Fenster und Vorhänge ließen erkennen, dass hier keine Schweine mehr art- und familiengerecht gehalten wurden. Auch in Malergeschäften, Wohnzimmern, Waschküchen, Scheunen und Banken wohnten, aßen oder tranken nun Urlaubshungrige. In einem Dorf an der Nordseeküste, in dem er nach seinem Dorf suchte. Und es nicht mehr fand. Die Zeit hatte es längst untergehen lassen, wie so viele gleichnamige Dörfer zuvor, und dafür gesorgt, dass ein neues an gleicher Stelle errichtet wurde. Doch war auch dieses Dorf dem Untergang geweiht, war wie ein Foto, das nur im Augenblick der Belichtung mit dem aufgenommenen Motiv übereinstimmte. Wenn überhaupt. Auch in Zukunft würden Menschen in dieses Dorf zurückkehren, nach langer Abwesenheit, oder vielleicht nur nach ein paar Jahren, in denen sie studiert oder in einer anderen Stadt gearbeitet hatten. Auch sie würden ihr Dorf suchen und es, wie so viele vor ihnen, nicht mehr finden.
    Doch nicht alles ließ die Zeit untergehen; sie sorgte auch dafür, dass man fand, was nicht mehr zu finden war. Die Kirche von 1399, das Hohe Haus von 1696, die beiden Galerieholländermühlen aus dem Barock, das von Halemsche Haus von 1794, das Alte Siel von 1798. Sie halfen, die unzähligen Fotos einzunorden, die Ausgangspositionen für die Suche festzulegen.
    „Hat sich Greetsiel nicht toll entwickelt?“, fragte ihn Gesine Oltmanns und reichte ihm ein Handtuch. Greven nickte, wischte sich den warmen Regen aus den wenigen Haaren, die ihm seine Gene gelassen hatten. Sie gingen in die Wohnküche, in der Gesines Mutter mit der Teezeremonie beschäftigt war. Sie sprach kein Wort, stellte Greven eine Teetasse hin und verließ den Raum.

6. Kapitel
     
    „Gordum?“, wiederholte Mona. „Aber was soll das denn mit dem Mord zu tun haben? Nur, weil Harm eine Münze an Bord gehabt hat, die vielleicht in dieser Stadt geprägt worden ist?“
    „Das G auf Harms Zeichnung“, antwortete Greven.
    „Du meinst, er hat sie gefunden?“
    „Ich weiß es nicht“, sagte Greven. „Dieser Gedanke ist mir jedenfalls auf der Rückfahrt gekommen. Stell dir vor, er ist irgendwo im Watt zufällig auf … was weiß ich, auf Mauerreste gestoßen, auf diese Goldmünze, und hat sie zuordnen können. Er hat sich doch schon immer mit alter Geschichte befasst. Die Friesen, die Kelten, die Römer. Das war doch seine Welt. Und das große Geheimnis, das große Mysterium, versunkene Städte, Mittelerde und Esoterik inklusive. Er hat doch schon damals Tolkien gelesen, als einer der Ersten, und uns alle infiziert. Bis zu einem gewissen Grad war das für ihn Realität. Er war ein Romantiker, verstehst du?“
    Mona schwieg.
    „Gordum. Sagt dir das was? Ich muss gestehen, ich habe heute zum ersten Mal diesen Namen gehört.“
    „Viel weiß ich auch nicht. Eine alte Legende, glaube ich, eine Sage oder so. In der Schule hat uns ein Lehrer einmal ein Gedicht vorgelesen, das von Gordum gehandelt hat, aber frage mich nicht, wann das war. Auch in der Wochenendbeilage irgendeiner Zeitung hat vor Jahren etwas gestanden. Aber glaubst du wirklich, dass Harm die Stadt gefunden hat und deshalb umgebracht worden ist? Dass die Sensation, von der er im Hafenkieker gesprochen hat …“
    „Mona, wenn ich das wüsste“, stöhnte Greven.
    „Und sonst?“
    „Peter hat zwei akzeptable Spuren, sonst sieht es mau aus. Kaum verwertbare Fingerabdrücke, die gefundenen Haare stammen mit großer Wahrscheinlichkeit von Harm, den Rest hat der Brand vernichtet. Bleiben also noch die Münze und die Karte, und es ist eine Karte, der alte Ysker hat es mir heute erklärt. Harm hat sie offenbar nach dem Vorbild alter Schmugglerkarten gezeichnet, und er kannte sich aus mit Karten und der christlichen Seefahrt. Außerdem hat mir

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