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Die Gottessucherin

Die Gottessucherin

Titel: Die Gottessucherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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ihrer Tante Brianda, nach ihrem Onkel Diogo - nach irgendeinem Menschen, den sie kannte, dem sie vertraute. Als sie zu dem Mönch zurückkehrte, empfing der sie in Begleitung eines bärtigen Offiziers.
    »Der Hauptmann wird Euch allein nach Boendal bringen«, erklärte Bruder Cornelius. »Der Kaiser hat ihn geschickt«, fügte er hinzu, als er ihre Angst sah. »Ich habe seinen Ausweis überprüft. Ihr könnt ihm vertrauen.«
    Reyna hatte das Gefühl, den Offizier zu kennen, doch sie wusste nicht, woher. Wo hatte sie das Gesicht nur schon einmal gesehen? Der Hauptmann war mindestens zehn Jahre älter als sie und trug eine Uniform der kaiserlichen Kavallerie. »Zu Euren Diensten!«
    Als er salutierte, runzelte Reyna die Brauen. Der Zeigefinger seiner rechten Hand war auffällig verkümmert. Konnte es wirklich sein ... ? Fragend blickte sie dem Mann in die Augen. Wie um ihr zu antworten, nickte er ihr zu und wackelte dabei mit seinen großen, abstehenden Ohren.
    Plötzlich war es, als würde sie durch seine Maske schauen, und sie erkannte ihn wieder, trotz des schwarzen, dichten Bartes. Ja, es war José, ihr Cousin!
     

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    »Was
hat dieser Mensch getan?«, fragte die Regentin, und aus ihrem blassen, länglichen Gesicht sprach heiliges Entsetzen. »Wäre ich nicht dazwischengefahren«, erwiderte Cornelius Scheppering, »hätte er dem Kind sein stinkendes Fleisch ...« »Gott bewahre!«, rief Maria und bekreuzigte sich. »Wie kann ein Mann so etwas tun?«
    Cornelius Scheppering wusste die Antwort nur zu gut. Es war die Schlange, die Aragon geleitet hatte - dieselbe Schlange, deren Zischeln einst auch ihm, wiewohl ein glaubensfester Gottesknecht, in so fürchterlicher Weise zugesetzt hatte. Doch im Gegensatz zu dem eitlen Spanier hatte er das Übel an der Wurzel gepackt, der Schlange den Kopf abgeschlagen, um der Versuchung für immer zu entkommen. Ein Sauschneider, der sonst Hengste und Stiere kastrierte, hatte das Werk besorgt, nachdem der Jude ihm den Dienst versagt hatte. Jeden Tag dankte Cornelius Scheppering dem Herrgott dafür, dass er ihm die Kraft zu diesem Entschluss gegeben hatte. Nur wer frei war von der Schlange, war frei, den Willen des himmlischen Vaters zu tun. Doch statt der Regentin dies zur Antwort zu geben, sagte er nur: »Es ist mir ein Rätsel, dass Euer Bruder diesem Mann vertraut.« »Karl vertraut ihm so wenig wie wir«, erwiderte Maria. »Aber mein Bruder braucht Geld, und Aragon hat für die Hand von Reyna Mendes zweihunderttausend Dukaten geboten. Allerdings - eins begreife ich nicht. Warum hat er seine Braut nicht nach Boendal begleitet?«
    »Angeblich, um heute mit Euch die Generalstände zu empfangen«, erwiderte Cornelius Scheppering. »Aber das glaube ich nicht. Ebenso wenig glaube ich, dass Jan van der Meulen an Schlagfluss gestorben ist.«
    »Was sollen wir tun?«, fragte Maria. »Ich könnte mich überwinden, die Jagdgesellschaft aufzusuchen, um mit meinem Bruder zu sprechen. Wenn wir vielleicht einen Kandidaten finden könnten, der ihm auf das Vermögen der Braut hin dreihunderttausend Dukaten verspricht ...«
    »Wollt auch Ihr unter die Schacherer gehen?« Cornelius Scheppering schüttelte angewidert sein Haupt. »Auch wenn Aragon nicht der Mann unserer Wahl ist, haben wir doch einen guten Teil unseres Weges geschafft. Sobald die Ehe geschlossen ist, haben wir dem Teufel und seiner Buhle das Handwerk gelegt. Dann kann Gracia Mendes nicht länger das Vermögen ihrer Firma missbrauchen, um Euer katholisches Land mit jüdischen Apostaten zu überschwemmen. Der Sumpf ist ausgetrocknet. Ein für alle Mal!«
    »Die Wege des Herrn sind unerforschlich«, seufzte die Regentin. »Manchmal bedient er sich der Bösen, damit sein Heilsplan in Erfüllung geht. Doch es tut mir leid um das Mädchen und seine Seele. Mir ist gar nicht wohl bei dem Gedanken, dass Reyna allein in Boendal ist. Bei Tage, auf der Jagd, spricht mein Bruder deutsch, aber am Abend, auf dem Ball - da wird nur italienisch gesäuselt.«
    »Ich bin erfreut, dass Ihr meine Sorgen teilt«, entgegnete Cornelius Scheppering. »Ich selbst werde mich anheischig machen, mich um Eure Ehrendame zu kümmern. Die Rettung ihrer Seele wäre ein Zeichen, dass der Segen des Herrn auf uns ruht. Wir haben sie nicht den Fängen ihrer Mutter entrissen, damit viehische Lüstlinge, die kaum besser sind als das Judenpack, sie ins Verderben reißen.«
    Er hatte noch nicht ausgesprochen, da flog die Tür auf. Ein Offizier in verdreckter Uniform

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