Die Gottessucherin
stürmte herein und stieß den Lakai, der ihn aufhalten wollte, beiseite.
»Wer seid Ihr?«, fragte die Regentin, als er vor ihr salutierte. »Hermann Vuysting, Hauptmann der kaiserlichen Garde. Ich habe den Auftrag, Reyna Mendes nach Boendal zu begleiten.« »Wie kann das sein?«, erwiderte die Regentin. »Man hat sie bereits in die Obhut eines Offiziers gegeben, den mein Bruder aus Boendal zu ihrem Geleit geschickt hat.«
Cornelius Scheppering stöhnte bei den Worten laut auf. Zwei Hauptleute, die denselben Auftrag hatten? Wenn es stimmte, was er befürchtete, dann ...
»Könnt Ihr Euch ausweisen?«, fragte er den Offizier.
»Nein, ich wurde überfallen, im Wald von Holsbeek. Man hat mir meine Papiere geraubt, sowohl meinen Ausweis als auch meinen Marschbefehl.«
»Überfallen? Von wem?«
»Sie waren zu zweit. Der eine trug einen Wachsmantel, der andere war ein Offizier des Kaisers. Ich glaube, sie waren Juden.« »Was veranlasst Euch zu diesem Verdacht?« »Sie sprachen portugiesisch miteinander, wie die marranischen Kaufleute.«
Cornelius Scheppering tauschte einen Blick mit der Regentin. Auch sie schien zu begreifen. »Was ist ihr Plan?«, fragte sie.
»Ich weiß es nicht.« Cornelius Scheppering dachte kurz nach. »Aber Brianda Mendes hat einen Reisepass, angeblich, um eine Kur zu machen. Ihr selbst habt ihn ausgestellt.« »Gegen die Verschreibung eines jüdischen Arztes.« Maria hob die Hände zum Himmel. »Ich Närrin!«, rief sie aus. »Sie haben die Braut entführt und werden sich irgendwo unterwegs vereinen!« »Um sich der Strafe des Herrn für immer zu entziehen«, ergänzte Cornelius Scheppering. »Der Teufel selbst wirkt in Gestalt dieser Jüdin!«
Das Gesicht der Regentin war noch blasser als sonst, kaum unterschied sich die Farbe ihrer Haut von der ihrer Haube, und ihr Kinn bebte vor Erregung. Doch als sie sich an den Offizier wandte, war ihre Stimme von einer solchen Entschlusskraft, dass Cornelius Scheppering Hoffnung fasste.
»Nehmt so viele Männer meiner Garde, wie Ihr braucht!«, befahl sie dem Hauptmann. »Und überprüft alle Tore der Stadt! Wir dürfen sie nicht entkommen lassen!«
37
Ein kalter Wind, der in heftigen Böen vom Nordmeer über die flandrischen Lande fegte, trieb massige dunkle Wolkengebirge auf Brüssel zu, und über der Hauptstadt ging ein so heftiger Regen nieder, dass die Soldaten, die das Stadttor bewachten, nicht die geringste Lust zeigten, auch nur ihre Nasen aus dem Schilderhäuschen zu strecken, in dem sie Zuflucht genommen hatten. Diogo Mendes beugte sich von seinem Rappen und klopfte an die Sichtklappe, damit das Tor geöffnet werde, während hinter ihm die schlammbespritzte Kutsche mit dem kaiserlichen Wappen auf dem Wagenschlag zum Stehen kam.
Obwohl Diogo das Wasser bis in den Rücken rann, war ihm das Sauwetter nur recht. Da jagte man keinen Hund vor die Tür, der Diensteifer der Soldaten würde sich also in Grenzen halten. Trotzdem gab er José, der auf dem Kutschbock des Wagens die Leinen führte, ein Zeichen, seinen Degen bereitzuhalten für den Fall, dass sie sich den Durchlass erstreiten mussten. Reyna, eingehüllt in einen schwarzen Umhang, blickte ängstlich aus dem Fenster der Kutsche. Diogo nickte ihr zu. Er hatte ihr eingeschärft, den Schlag einen Spaltbreit zu öffnen, sobald der Wagen das Stadttor erreichte, damit sie, wenn nötig, auf der Stelle ins Freie springen könnte.
Endlich ging die Sichtklappe auf, und ein mürrischer Feldwebel schaute Diogo aus dem Schilderhäuschen an. »Wohin des Wegs?« »Nach Alsenberg.«
Sie hatten das südliche Stadttor gewählt, um mögliche Verfolger in die Irre zu leiten - eine Vorsichtsmaßnahme zu Reynas und Joses Sicherheit. Diogo hatte den Hauptmann des Kaisers, dem er und José im Wald von Holsbeek aufgelauert hatten, nur geknebelt und gefesselt, nicht jedoch getötet, bevor sie ihm Ausweis und Marschbefehl abgenommen hatten. War es ein Fehler gewesen, den Kerl im Graben liegen zu lassen, statt ihn für immer unschädlich zu machen? Jetzt war keine Zeit, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Jetzt ging es nur darum, rasch aus der Stadt zu kommen, damit Reyna und José einen möglichst großen Vorsprung gewinnen könnten. Reyna wurde in Boendal erwartet. Spätestens am Abend, wenn die Kalesche, die sie zur Jagdgesellschaft des Kaisers bringen sollte, immer noch ausbliebe, würde man sie vermissen und einen Boten nach Brüssel schicken. Dann würde die Verfolgung beginnen. »Eure
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