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Die Gottessucherin

Die Gottessucherin

Titel: Die Gottessucherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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Erbe verzichten«, sagte er ruhig. »Ich bin sicher, dann zieht Dona Brianda ihre Klage zurück.«
    »Wahrscheinlich«, erwiderte Gracia. »Aber - du weißt, was das bedeutet?«
    José nickte. »Es wäre das Ende von allem, was Ihr aufgebaut habt. Ihr und Dom Francisco und Dom Diogo.«
    »Allerdings«, bestätigte Gracia. »Herrgott, wenn wenigstens Reyna hier wäre! Sie muss mit meiner Schwester gesprochen haben, nachdem die Verhandlung vorbei war. Vielleicht hat sie es ja geschafft, dass Brianda Vernunft ...«
    Lautes Klopfen an der Tür unterbrach sie.
    »Hat Euch jemand verfolgt?«, flüsterte José.
    »Nicht, dass ich wüsste«, erwiderte Gracia ebenso leise.
    Mit angehaltenem Atem horchte sie an der Tür. Dann schob sie den Riegel zurück.
    Als sie öffnete, traute sie ihren Augen nicht. Auf dem Treppenabsatz stand der Wirt - zusammen mit Reyna und Duarte Gomes.
    »Gott sei gelobt!« Erleichtert schloss sie ihre Tochter in die Arme. »Reyna!«, rief José. »Wo kommst du denn her?« »Ich bin so froh, dass ich euch gefunden habe!« Reyna drückte Gracia so fest an sich, als wollte sie sie nie wieder loslassen. »Ich hatte solche Angst, dass dir etwas passiert ist. Dom Duarte hat mir alles erzählt.«
    »Bring uns was aus der Küche«, befahl José dem Wirt. »Vorwärts! Aber was Besseres als den alten Hammel!« Während der Wirt auf der Treppe verschwand, zog Gracia ihre Tochter in die Kammer. »Warum bist du nicht bei Brianda geblieben?«, fragte sie, nachdem sie die Tür geschlossen hatte. »José hat Dom Duarte doch gesagt, du sollst ...« »Ich war gar nicht bei ihr«, fiel Reyna ihr ins Wort. »Ich war bei Rabbi Soncino. Zum Glück hat Dom Duarte auch im Ghetto nach mir gesucht.«
    »Du warst bei Rabbi Soncino? Weshalb?«
    Reyna wich ihrem Blick aus. »Tante Brianda war nicht zu Hause. Sie ... sie war bei Gericht. Ich weiß selbst nicht, warum, aber ... aber als ich das hörte, bekam ich plötzlich fürchterliche Angst. Und als ich dich auch nicht finden konnte, weder im Kontor noch zu Hause, da ... da bin ich zu Rabbi Soncino gelaufen. Es ... es war wie eine Eingebung.«
    Sie schaute ihre Mutter immer noch nicht an, wurde nur ganz rot im Gesicht.
    »Aber dafür musst du dich doch nicht schämen!«, rief Gracia und gab ihr einen Kuss. »Gott hat dich geleitet!« Sie drehte sich zu José um. »Was meinst du - kannst du mit dem verletzten Arm reiten?«
    Erst jetzt sah Reyna seinen Verband. »Um Himmels willen! Du bist ja verletzt!«
    »Nicht der Rede wert. Ein paar Soldaten wollten deine Mutter daran hindern, zu fliehen. - Aber natürlich kann ich reiten, Dona Gracia. Was soll ich tun?«
    »Morgen früh kehrst du zurück nach Venedig. Ab sofort bist du der Chef der Firma Mendes.«
    »Nein!«, protestierte Reyna. »Er darf nicht zurück! Sie bringen ihn um!«
    »Keine Angst!«, erwiderte Gracia. »Es ist nur ein einfacher Soldat ums Leben gekommen. So was lässt sich mit ein paar Dukaten regeln.« Sie löste ihr Schlüsselbund vom Gürtel und gab es ihrem Neffen. »Sobald du in der Stadt bist, löst du unser Vermögen auf. Aber unauffällig, niemand darf etwas merken! Am besten kaufst du Juwelen und Edelsteine. Und was du nicht verkaufen kannst, schaffst du ins Ausland. Duarte Gomes soll dir helfen, er hat mein Vertrauen.« »Und Ihr«, fragte José. »Was ist mit Euch?« Gracia holte tief Luft. »Solange ich unter Anklage stehe, kann ich nicht nach Venedig zurück. Ich muss irgendwo Asyl für Reyna und mich finden. Was anderes bleibt uns nicht übrig.« »Asyl?«, fragte Reyna. »Aber wer soll uns denn aufnehmen?«
     

22
     
    Sanft umspülten die Meereswellen den Palast, ein leises, gleichmäßig murmelndes Plätschern, das Brianda in den Schlaf wiegte. Träumte sie schon oder war sie noch wach? Der dunkle Schatten eines Mannes beugte sich über sie: Tristan ... Mit zärtlichem Lächeln sank er auf sie herab. Brianda breitete die Arme aus, und während sie ihn empfing, schloss sie die Augen, um noch einmal das Glück zu genießen, das er ihr in dieser Nacht geschenkt hatte. Er hatte sie gefragt, ob sie seine Frau sein wolle, und sie hatte sich ihm hingegeben, um eins zu werden mit ihm. In der Vereinigung ihrer Leiber hatten sie den Bund der Ehe geschlossen. Wie vor Urzeiten ihre Ahnen, waren sie Mann und Frau geworden im Genuss ihrer Liebe.
    »Gelobt seiest du, Gott, Herrscher der Welt, der wahrhaftige Richter.«
    Wie aus weiter Ferne plätscherten die Laute an ihr Ohr. Waren das Wellen oder Worte? Brianda

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