Die Gottessucherin
rein?« Rabbi Soncino hob die Arme zum Himmel. »Du hast dich nicht nur an deiner Seele versündigt, Gracia Mendes, sondern am ganzen Volk Israel. Wenn es für deine Schuld Wiedergutmachung gibt, dann nur durch ein großes persönliches Opfer - ein Opfer, das dir schwerer fällt als die Tötung des eigenen Lebens, ein Opfer, wie einst Abraham eines zu leisten bereit war.«
26
»Ich bin gekommen, um Euch ein Geschäft vorzuschlagen, Senhor Mendes.«
»Wäre dafür mein Kontor nicht der geeignetere Ort gewesen, Senhor Aragon?«
»Wollt Ihr damit andeuten, dass Euch die Unterkunft nicht gefällt? Wie schade! Ich hatte gehofft, der Ort würde Euch an das Judenbad erinnern.«
Seit einer Woche befand sich Francisco bereits in Haft, in einem Verlies des Castelo de Sao Jorge. Er war nicht der einzige marranische Kaufmann, den die Garde festgenommen hatte - im Kerker der Königsburg war die halbe jüdische Gemeinde von Lissabon inhaftiert. Die ersten Tage hatten die Gefangenen zusammen in mehreren Gemeinschaftszellen verbracht. Jeder Häftling besaß ein eigenes Bett, und gegen Bezahlung durften sie Speisen und Getränke aus einem Wirtshaus kommen lassen. Doch am letzten Abend hatte man Francisco in eine Einzelzelle gesteckt, in eine Grotte ohne Fenster, von deren Wänden das Wasser heruntertropfte und die nur von einer Fackel erhellt wurde. Ein einziges Mal hatte er seitdem zu essen bekommen, eine faulige, stinkende Fischsuppe. Seit dem Morgen litt er an Schüttelfrost, und sein Herz schien immer wieder auszusetzen. Aber er war zu stolz, um nach einem Arzt zu fragen. Er kannte den Spanier. Eine Bitte um Hilfe würde der Converso-Kommissar als Zeichen von Schwäche auslegen. Also sagte Francisco nur: »Ich verlange meine sofortige Freilassung.«
»Ihr habt es selbst in der Hand«, erwiderte Aragon mit einem Lächeln und strich seinen Spitzbart. »Nennt uns den Namen des Mörders, der Enrique Nunes umgebracht hat, und Ihr seid ein freier Mann.«
»Ich habe keine Ahnung, wovon Ihr redet.«
»Ich habe keine Ahnung, wovon Ihr redet.«
Das Lächeln auf dem Gesicht des Kommissars verschwand. »Für wie dumm haltet Ihr mich? Ihr selbst habt den Auftrag gegeben,
Enrique Nunes zu ermorden. Vermutlich noch am Tag Eurer Hochzeit mit Gracia Nasi.«
»Was für einen Grund sollte ich gehabt haben, so etwas zu tun? Enrique Nunes war ein Agent meiner Firma. Sein Verschwinden war auch für mich ein Rätsel.«
»Es ist immer dasselbe - sobald ein Jude den Mund aufmacht, kommt eine Lüge heraus.« Aragon schüttelte den Kopf wie ein enttäuschter Lehrer bei der Antwort eines schlechten Schülers. Dann machte er einen Schritt auf Francisco zu und blickte ihn mit zusammengekniffenen Augen an. »Enrique Nunes war ein Spion der Inquisition, der Beweise gegen die Conversos sammeln sollte! Aus diesem Grund habt Ihr ihn beiseite schaffen lassen. Weil er Euch in Rom hätte gefährlich werden können - Euch und Euren scheinheiligen Glaubensbrüdern.« »Das ist eine haltlose Unterstellung.«
»Beleidigt nicht meine Intelligenz! Jedes Kind weiß, was damals passiert ist. Und im Prinzip ist ja auch nichts dagegen einzuwenden - wir alle müssen schauen, wo wir bleiben. Der König hat sogar gelacht, als er von der Geschichte hörte.« Francisco fasste sich ans Herz, das sich schmerzhaft zusammenzog. Dann hatte Dom Jono also doch Bescheid gewusst und ihn zum Narren gehalten, als er ihm das Darlehen für den Kaiser abgepresst hatte.
In der Hoffnung, dass Aragon ihm die Schwäche nicht anmerkte, sagte er: »Bringt mich zum König. Ich bin sicher, dass ...« Der Kommissar zuckte nur die Schulter. »Ich glaube kaum, dass Dom Jono bereit ist, Euch zu empfangen. Die Lage hat sich verändert. Inzwischen ist ein Schnüffler hier aufgetaucht, der alles durcheinanderbringt - ein Dominikaner, der früher für Euren Bruder in Antwerpen gearbeitet hat. Cornelius Scheppering ist sein Name.«
»Ich habe keine Ahnung, wer das ist.«
»Das glaube ich Euch sogar, bei einem so großen Handelshaus wie der Firma Mendes ist es unmöglich, jeden kleinen Kontorschreiber zu kennen. - Wie auch immer: Dom Jono sieht sich jedenfalls außerstande, Euch zu empfangen.« »Umso mehr bestehe ich auf meiner Freilassung. Ihr habt keinerlei Beweise.«
»Pffft - Beweise. Ich muss nur einmal mit dem Finger schnippen, und ...«
Aragon brauchte nicht zu Ende zu sprechen, Francisco wusste, was gemeint war. Der Spanier war ebenso ehrgeizig wie eitel, und zur Erreichung
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