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Die Gottessucherin

Die Gottessucherin

Titel: Die Gottessucherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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die Leiche fand. Die Einwirkung irgendwelcher Gase.«
    »Das ist ja widerlich!« Der König verzog das Gesicht. »Ist schon bekannt, was dahintersteckt?«
    »Der Tote trug Papiere bei sich. Sie waren in Wachstuch eingeschlagen. Aber darauf standen nur unendlich viele Zahlen, die keinerlei Sinn ergeben.«
    »Ich habe die Papiere gesehen«, sagte Cornelius Scheppering. »Die Zahlen ergeben sehr wohl einen Sinn. Die Juden verschlüsseln auf diese Weise ihre Botschaften - Gematria heißt diese Kunst. Man muss sie nur zu deuten wissen, genauso wie die Botschaft der Toten.«
    Er wies mit dem Kinn auf den Krüppel, der sich unter den staunenden Rufen der Gläubigen springend und hüpfend über die Straße bewegte wie ein Faun.
    »Erstaunlich, wirklich erstaunlich«, wiederholte der König. »Meint Ihr, es gibt einen Zusammenhang zwischen dem Tod Eures Lazarus und seinen Papieren?«
    »Ich gehe fest davon aus. Wahrscheinlich enthalten die Zahlenreihen verschlüsselte Beweise, die Nunes nach Rom schaffen wollte. Irgendjemand muss davon erfahren haben, und die Juden haben ihn ermordet, bevor er über die Grenze fliehen konnte. Die Juden - oder sonst jemand, der Interesse an seinem Tod hatte.« »Wer sonst sollte das sein?«
    Ohne mit der Wimper zu zucken, hielt Cornelius Scheppering dem Blick des Königs stand.
    »Jeder, der Interesse daran hat, die Einsetzung der Inquisition zu verhindern.«
    »Was wollt Ihr damit sagen?«, fragte Aragon empört.
    »Ich muss alle Möglichkeiten ins Auge fassen. Euch ist es ja bisher nicht gelungen, den Fall aufzuklären. Vielleicht mit Absicht? Oder auf höhere Weisung?«
    »Kein Streit, meine Herren«, intervenierte der König. »Wir sind im selben Kampf geeint.« Er legte Cornelius eine Hand auf den Arm. »Was schlagt Ihr vor?«
    »Lasst alle Marranenführer der Stadt verhaften. Sofort!« »Seid Ihr von Sinnen?« Dom Jono zog seine Hand zurück, als hätte er sich verbrannt. »Einen Teufel werde ich tun! Das sind allesamt Kaufleute und Schiffseigner. Sie finanzieren den Wiederaufbau meiner Hauptstadt. Ohne sie ist das Land wie ein Netz ohne Fische.«
    »Es wäre nur für kurze Zeit. Ich denke, mit Hilfe der Papiere von Nunes werden wir die Wahrheit rasch erfahren. Gott steht uns bei.«
    »Es soll schon Fälle gegeben haben, in denen Gottes Beistand versagte.«
    »Habt Ihr einen Grund, die Täter zu schonen?«, fragte Cornelius scharf. »Weil Handel und Schiffsverkehr Schaden nehmen könnten? Hütet Euch! Gott hat schon Euren Vater gestraft, weil er mit den Marranen schacherte, statt das Glaubensgericht ins Land zu lassen.«
    »Habt Ihr vergessen, mit wem Ihr redet, Mann?«, fuhr Aragon dazwischen. »Für Eure Worte gehört Ihr eingesperrt!« »Nur zu, sperrt mich ein, aber es wird nichts nützen.« Cornelius schüttelte den Kopf. »Nein, das Beben war kein Zufall. Gott hat die Hure Lissabon bestraft, weil sie den Juden Zuflucht bot. Die Geißler haben das begriffen. Ihr auch?« Er schaute den König an, und mit gesenkter Stimme fuhr er fort: »Habt Ihr Euch nie gefragt, Dom Jono, warum Eure Residenz am Terreiro dem Beben zum Opfer fiel, während hier ...«
    Statt weiterzusprechen, wies er stumm auf die Häuser der Straße, die sie gerade passierten. In der Rua Nova dos Mercadores lebten die reichsten Juden der Stadt, die Inhaber der großen Handelsfirmen und Eigentümer der Kauffahrtschiffe. Fast alle Häuser dieser Straße waren unversehrt.
    »Welche Zeichen muss der Allmächtige Euch noch schicken, Majestät, wenn Euch nicht mal ein Erdbeben genügt?« Noch während Cornelius sprach, erhob sich ganz in der Nähe ein Höllengeschrei. Ein Geißler war unter seinen eigenen Schlägen zusammengebrochen. Blutüberströmt lag er nun im Graben, am ganzen Leibe zuckend, als wäre der Unaussprechliche in ihn gefahren. Mit angsterfülltem Gesicht verfolgte der König das Schauspiel.
    »Sehe ich die Furcht Gottes in Eure Seele einziehen?«, fragte Cornelius Scheppering.
    Der König wandte das Gesicht von dem Verzückten ab. Seine Stimme war nur noch ein Flüstern, als er Cornelius Antwort gab. »Wenn Ihr den Beweis erbringt, dass hinter dem Tod dieses Nunes eine marranische Verschwörung steckt, dann soll die Gerechtigkeit ihren Lauf nehmen.«
    »Heißt das, Ihr werdet die Inquisition ins Land lassen?«
    »Vorausgesetzt, Ihr bringt die Beweise.«
    »Dann lasst die Conversos verhaften!«
    Dom Jono, auch »der Fromme« genannt, nickte.
     

25
     
    »Mutter! Mutter!«, rief Reyna voller Angst. »Was

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