Die Gottessucherin
Preis in die Höhe zu treiben. Zwei Speicher brennen schon!« »Was ist mit der Garde? Jemand muss uns doch beschützen!« »Beschützen? Ich habe gesehen, wie Soldaten dabei halfen, das Feuer zu legen.«
»Gütiger Himmel! - Hier, das müssen sie sein!«
Endlich hatte Gracia die Schlüssel gefunden. Soncino nahm sie und rannte zur Tür hinaus.
Während die Schritte des Rabbiners noch verhallten, wurden draußen neue Rufe laut.
»Judenpack - Lügenpack! Judenpack - Lügenpack!«
Eine Trommel wurde geschlagen, um die Rufe zu begleiten.
»Judenpack - Lügenpack! Judenpack - Lügenpack!«
Das Geschrei im Rhythmus der Trommel wurde immer lauter, und Gracia war es, als schlage eine Flutwelle über ihr zusammen.
Nein, das war kein Zufall, dass die Menschen sich vor ihrem Haus zusammengerottet hatten, dass sie Steine auf sie warfen und die Speicher ihrer Firma brannten. Der Aufruhr galt
ihr,
Gracia Mendes, und die Menschen waren gekommen, um
sie
zu bestrafen ...
»Judenpack - Lügenpack! Judenpack - Lügenpack!«
Auf einmal brachen die Rufe ab, die Trommel verstummte, und ein Freudengeheul ertönte.
Kurz darauf kehrte Rabbi Soncino zurück. »Dem Herrn sei Dank, sie ziehen zum Hafen«, sagte er. »Aber was ist mit Euch? Ihr seid ja ganz blass!«
Gracia brachte keine Antwort über die Lippen. Ihr war schwindlig, und die Brust war ihr so eng, dass sie kaum atmen konnte. Sie musste sich setzen.
»Ich ... ich habe geglaubt«, stammelte sie, »Gott hätte mir vergeben. Er hat mir doch Reyna geschenkt, und unser Haus blieb unversehrt ...«
»Was redet Ihr da?«, fragte Rabbi Soncino. »Ich verstehe kein Wort.«
»Aber ... ich habe mich getäuscht ... Das waren keine Zeichen ... Gott hat mir nicht vergeben ...«
»Dona Gracia! Was sollte Gott Euch denn vergeben?«
Mit leeren Augen starrte sie auf die Scherben am Boden. »Alles ...
alles ist meine Schuld«, stammelte sie. »Franciscos Verhaftung ...
Der Aufruhr ... Wenn sie ihn foltern ...« Sie schlug die Hände vors Gesicht.
»Darf ich?« Ohne ihre Antwort abzuwarten, setzte sich Rabbi Soncino zu ihr. »Erleichtert Euer Herz. Was bedrückt Euch? Wovor habt Ihr solche Angst?«
Zögernd ließ Gracia die Hände sinken und sah den Rabbiner an. Wie ein Klumpen Lehm füllte die Wahrheit ihre Brust, würgte in ihrer Kehle und drückte ihr den Atem ab. Soncino nickte ihr zu, und obwohl es verboten war, nahm er ihre Hand. Es war, als würde die Berührung einen Knoten in ihr lösen. Plötzlich hielt sie es nicht länger aus, sie konnte nicht länger leben mit diesem Klumpen, und während die Tränen aus ihren Augen rannen, gestand sie ihre Schuld, ihren Betrug an dem Rabbiner und den Gemeindefrauen, die falsche Auskunft über ihre Monatsregel und das erschlichene Bad in der Mikwa, ihren Hochmut, zu glauben, sie würde Gott mit ihren Lügen gefallen, als seine wahre Dienerin. Und dann, nach einer Pause, in der die Scham sie hatte verstummen lassen, nahm sie ihre ganze Kraft zusammen, um ihre schlimmste Sünde zu gestehen, den Betrug an ihrem Mann und den Geboten Gottes - jenen fürchterlichen, unaussprechlichen Betrug.
Noch während sie sprach, ließ Rabbi Soncino ihre Hand los und rückte von ihrer Seite weg, als habe er Angst, sich an ihr zu verunreinigen. Dann erhob er sich und ging schweigend im Raum auf und ab. Erst nach endlos langen Minuten, in denen nur das Knarren der Bodendielen unter seinen schweren Schritten zu hören war, blieb er stehen und sagte: »Du weißt, welche Schuld du auf dich geladen hast?« Gracia nickte, die Augen tränennass.
»Mit dem Beginn der Monatsregel ist für die ganze Dauer der Blutung und für weitere sieben sich anschließende Tage der Reinigung jeder eheliche Verkehr verboten. In dieser Zeit ist keinerlei körperliche Annäherung oder auch nur Berührung erlaubt.« »Ich weiß«, flüsterte sie.
»Und auch nach Beendigung dieser Zeit dauert die Unreinheit fort, bis die Nidda durch das Tauchbad in der Mikwa die Reinheit und damit die Erlaubnis zum ehelichen Umgang erlangt.« Der Rabbiner stöhnte laut auf, so sehr litt er darunter, sich ihr Verbrechen vorzustellen, und sein junges Gesicht wirkte alt und grau wie das eines Greises.
Gracia wagte kaum, ihn anzusehen. »Was ... was kann ich tun, um Vergebung zu erlangen?«, fragte sie leise. »Das weiß der Herr allein. Zur Zeit des Tempels wurden Frauen wie du mit dem Tode bestraft, und noch heute könnte ich die Geißel über dich verhängen. Aber würdest du dadurch wieder
Weitere Kostenlose Bücher